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Der Prototyp des EKG-Brustgurts wurde in mehr als 100
Experimenten an Probandinnen und Probanden getestet.
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Die
Nachfrage nach EKG-Messgeräten steigt. Nicht nur Spitäler
und Rehakliniken sind an Geräten für die
Langzeitüberwachung von Herz-Kreislauf-Patientinnen und
-Patienten interessiert. Auch der Trend, die eigenen
Gesundheitsdaten zu sammeln und zu überwachen, boomt. Das
Problem: Für zuverlässige Langzeit-EKG kamen bis anhin
Gel-Elektroden zum Einsatz. Nach spätestens 24 Stunden
trocknen diese jedoch aus und geben keine geeigneten Signale mehr
ab. Sie eignen sich nur bedingt für ältere Menschen, die
häufig weniger schwitzen und sich wenig bewegen. |
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Die
Idee, benetzbare Elektroden für einen EKG-Gurt zu entwerfen,
entstand in einem Projekt, in dem sich ein Empa-Team zusammen mit
Industriepartnern mit Kühlbekleidung für
Multiple-Sklerose-Patientinnen und -Patienten beschäftigte.
Indem die Textilien kontinuierlich minimale Mengen von Wasser
abgeben, stellt sich ein Kühleffekt ein, der für die
Patienten schmerzlindernd wirkt. Diese Technologie eignet sich auch
hervorragend dafür, Elektroden dosiert zu benetzen. |
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Künstlicher Schweiss aus dem
«Reservoir»
Damit die metallisierten Sensoren die Körpersignale
optimal registrieren und stabil übertragen können, muss
es zwischen Elektrode und Haut ganz leicht feucht sein.
Ähnlich, wie wenn man schwitzt, jedoch ohne den kühlenden
Effekt und dazu so dezent, dass der Brustgurtträger die
Feuchte gar nicht wahrnimmt. Um diese Befeuchtung zu generieren,
entwickelte ein Team aus der Abteilung «Schutz und
Physiologie» in einem von der Kommission für Technologie
und Innovation (KTI) unterstütztem Projekt flexible
Befeuchtungselemente. Diese lassen sich mit rund 30 Milliliter
Wasser befüllen und sorgen dafür, dass die Haut permanent
feucht bleibt. Beim «Reservoir» handelt es sich um
einen Hohlraum zwischen einer wasserdichten Membrane und einer
dampfdurchlässigen Textilschicht. Anstatt die Schichten
zusammenzunähen, schweissten sie die Empa-Wissenschaftler mit
einer von ihnen perfektionierten Technik mittels Laser zusammen.
Die Schweissnähte sind dadurch wasser- und dampfdicht. Das
Reservoir gibt kontinuierlich Wasserdampf ab und zwar so lange,
dass es frühestens nach fünf Tagen wieder gefüllt
werden muss. |
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Die Preisträger des Techtextil Innovation Award 2015
von der Empa: Michel Schmid, Alexander Haag, Dr. René Rossi,
Dr. Rudolf Hufenus (v.l.n.r.)
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Nanometerdünne Plasma-Beschichtung
Befeuchtet werden Elektroden-Pads, die mit einer
speziellen Faser bestickt sind. Die Pads können nicht nur die
Herzfrequenz erfassen, sondern sämtliche Körpersignale,
die für kardiologische Zwecke benötigt werden. Die Fasern
aus Polyethylenterephthalat (PET) wurden von Spezialisten aus der
Abteilung «Advanced Fibers» mit einer an der Empa
entwickelten Plasmaanlage beschichtet. So entstehen
ausserordentlich dünne, etwa 100 Nanometer dicke Schichten auf
den Fasern. Eine Silberschicht dient dazu, die elektrischen Impulse
weiterzuleiten und verhindert dazu, dass sich Mikroorganismen
ansiedeln. Die darüber liegende, nur wenige Nanometer dicke
Schicht aus Titan sorgt für stabile Signale und verhindert,
dass Hautreizungen entstehen oder Silberpartikel freigesetzt
werden. |
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Strenge Auflagen für EKG-Geräte
Je zwei gestickte Sensoren-Pads werden in den EKG-Gurt
eingearbeitet. Sie sind direkt mit einem Datenlogger verbunden. Die
aufgezeichneten Signale werden an eine Datenzentrale oder an ein
Standard-Überwachungsgerät weitergeleitet. Da der
Datenlogger mit Druckknöpfen befestigt ist, kann er abgenommen
und der Gurt gewaschen werden – eine der strengen Auflagen,
damit das System als medizinisches Langzeit-EKG-Gerät
eingesetzt werden darf. |
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Funktionsschema:
Dank eines Wasserreservoirs bleibt die Elektrode immer feucht und
liefert zuverlässige Daten. |
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In
über 100 Experimenten mit freiwilligen Probanden wurde das
Gerät bereits erfolgreich getestet. Bis das Gerät auf den
Markt kommt, wird es jedoch noch dauern – das Projekt befindet
sich noch in der Prototypenphase. Als Nächstes stehen
klinische Tests im Rahmen eines KTI-Folgeprojekts mit dem
Universitätsspital Basel und verschiedenen Industriepartnern
– Unico Swiss Tex GmbH, Forster Rohner, Serge Ferrari SA,
xotox und Zietromec – an. Schon jetzt überlegen sich die
Forscher, ob die Elektroden auch noch für andere Zwecke
eingesetzt werden könnten. Etwa um in der Schmerztherapie
Muskeln zu stimulieren oder um die Dickdarmfunktion bei
Bettlägrigen durch Interferenz-Wellentherapie zu
reaktivieren. |
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Dass der EKG-Brustgurt Potenzial besitzt, dessen ist sich die
internationale Jury des «Techtextil Innovation Awards
2015» sicher. Sie zeichnete das Empa-Projekt Anfang Mai an
der «Techtextil», der Fachmesse für Technische
Textilien und Vliesstoffe in Frankfurt am Main, mit dem begehrten
Techtextil Innovation Award in der Kategorie «new
product» aus. «Weil», laut Laudatio, «die
gestickte Elektrode, die für Langzeit-EKGs eingesetzt werden
kann, der wachsenden Nachfrage nach medizinischen
Anwendungsmöglichkeiten von Textilien gerecht wird.» Die
Urkunde wurde am 4. Mai 2015 in Frankfurt am Main
überreicht.
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Die
Bilder können Sie hier herunterladen. |
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