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Quelle: iStock-Foto |
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Wer sich
für Innovationen im Automobilbau interessiert, der hätte
denken können, dass BMW und VW bei Kohlenstofffaserstrukturen
die Nase deutlich vorne haben. Beide Firmen erwarben vergangenes
Jahr Anteile am Zulieferer SGL Carbon. Doch die Konkurrenz
schläft nicht; Wettbewerber wie die Daimler AG sind ihnen hart
auf den Fersen: Die Stuttgarter Autobauer sind ein Joint-Venture
mit dem Kohlenstofffaserfabrikanten Toray Industries eingegangen.
Der Siegeszug der Faserverbundstoffe wird weiter gehen, ist Jan
Krüger von Daimler Research and Advanced Engineering
überzeugt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Geringeres
Gewicht, gute Crash-Eigenschaften, Vorteile bei der Geräusch-
und Vibrationsdämmung. Mit dem Supersportwagen Mercedes SLR
McLaren hat Daimler Erfahrungen im Leichtbau mit Kohlenstofffasern
gesammelt. 2500 Exemplare des Edelrenners liefen vom Band.
Inzwischen ist die Technologie in der Grossserienfertigung
angelangt. Der Heckdeckel des Sportcoupés SL 63 AMG wird ab
Sommer 2012 in Kohlenstofffaserbauweise hergestellt. Schon jetzt
laufen pro Jahr 140 Tausend Vorderachsblattfedern für den
Mercedes Sprinter aus Verbundwerkstoffen vom Band. Und jede zweite
Sitzheizung, die in Stuttgart eingebaut wird, hat Heizelemente aus
Kohlenstofffasern. |
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Die
Empa-Abteilung «Advanced Fibers» erforscht und
entwickelt mit aktiver Flüssigkeit gefüllte Fasern im
Projekt «Rheocore». |
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Crashsimulation
Peter Fritzsche von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW)
berichtete über die Simulation von Bruch- und Crashversuchen
an Verbundwerkstoffen. Obwohl das komplexe und nichtlineare
Verhalten dieser Werkstoffe oft für Überraschungen sorgt,
hat die Computersimulation der Eigenschaften bereits grosse
Fortschritte gebracht. Je genauer die plastische Verformung in
Modelle gefasst werden kann, desto präziser lassen sich
Bauteile aus Faserverbundstoffen für den jeweiligen
Einsatzzweck entwerfen. |
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Produktion von Grossserien unter Kostendruck
Aus Sicht eines Grossfabrikanten mit tausenden Angestellten in
aller Welt berichtete Wenzel Krause von der Firma Autoneum. Die
frühere Automotive-Sparte des Rieter-Konzerns und beliefert
Fahrzeughersteller in Nord- und Südamerika, Europa und Asien
mit Verbundfaserbauteilen, die in Motorraum, Unterboden, Innenraum
und Gepäckraum der Fahrzeuge eingesetzt werden. 100
TausendTonnen Material pro Jahr wird dabei verarbeitet und
ausgeliefert. Besonders für den Unterbodenschutz sind hohe
Steifigkeit und Schlagzähigkeit gefordert – und das zu
einem möglichst günstigen Preis. Autoneum nutzt
verschiedene Produktionsmethoden, um Bauteile mit genau passenden
Eigenschaften zu fertigen. Mit Glasfasern in verschiedenen
Längen werden die Bauteile gezielt verstärkt. Ein
möglichst hoher Grad an Automatisierung ist dabei für die
Massenproduktion unerlässlich. |
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Die
Empa-Abteilung «Advanced Fibers» erforscht und
entwickelt mit aktiver Flüssigkeit gefüllte Fasern im
Projekt «Rheocore». |
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Die nächste Alinghi
Bei besonders hochpreisigen Spezialitäten sind
Verbundwerkstoffe aus Kohlenstofffasern schon länger im
Einsatz. Etwa in der Königsklasse des Yachtbaus, dem
America’s Cup. Hierfür entwirft Andreas Winistörfer
mit seiner Firma CarboLink GmbH, ein Spin-Off-Unternehmen der Empa,
hochfeste Zuganker und Seile. Geld spielt dabei eine untergeordnete
Rolle – doch ein etwaiges Versagen des Bauteils wird in alle
Welt übertragen und von einem Millionenpublikum verfolgt. Seit
zehn Jahren ist Winistörfer in diesem anspruchsvollen Feld
unterwegs. Neben Yachten versorgt CarboLink auch den Kranhersteller
Liebherr mit Abspannungen aus Kohlenstofffasern. Der
Industriepartner profitiert von 50 bis 70 Prozent Gewichtsersparnis
und dank besseren Ermüdungseigenschaften von einer etwa 15-mal
längeren Lebensdauer der Karbonbauteile im Vergleich zu
Bauteilen aus Stahl. |
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Fasern mit flüssigem Inhalt
Um verbesserte, massgeschneiderte Eigenschaften geht es auch beim
Empa-Projekt «Rheocore». Dabei sollen Fasern gesponnen
werden, in deren Inneren sich ein verzweigter
Flüssigkeitskanal befindet. Das Ziel: Fasern, die sich bei
langsamer Bewegung flexibel zeigen, die jedoch auf schnell
einwirkende Kräfte mit Versteifung reagieren. So könnte
eine neue Art von Schutzbekleidung entwickelt werden, die
angenehmer zu tragen ist als alles derzeit bekannte. Doch die
Herstellung solcher Flüssigkeitskammern im Faden ist alles
andere als trivial, erläuterte Rudolf Hufenus von der
Abteilung «Advanced Fibers». Inzwischen hat das
Projektteam die mathematischen Grundlagen errechnet und
Modellversuche abgeschlossen. Nun geht es an die Herstellung eines
ersten Prototyps einer Spinndüse. |
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