Terahertzstrahlung

Tera incognita

15.06.2016 | RETO ZANETTIN

Terahertz-Strahlung ist so ungefährlich wie eine lauwarme Tasse Tee, doch sie kann Textilien durchdringen und die Hautoberfläche abtasten. Empa-Forscher wollen mit dieser Technik unter anderem erforschen, warum Babys, verschwitzte Wanderer und bettlägerige Senioren sich wund scheuern.

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Fast das ganze Spektrum elektromagnetischer Wellen, von der Röntgenstrahlung bis zu den niederfrequenten Radiowellen, ist heute technologisch ausgereizt. Das ganze Spektrum? Nein. Ein kleiner Bereich zwischen den Mikrowellen und der wärmespendenden Infrarotstrahlung widersetzt sich hartnäckig einer technologischen Nutzung: die Terahertzstrahlung. Bislang war es schwer, für diesen Frequenzbereich leistungsfähige Sender und Empfänger zu einem vernünftigen Preis herzustellen. Zu allem Überfluss reicht die Strahlung nicht allzu weit: An einem regnerischen Tag wird sie von der feuchten Luft einfach verschluckt. Sie scheint daher recht nutzlos zu sein für drahtlose Datenübertragung, für Rundfunk, Fernsehen und Militär.

Erwin Hack und Peter Zolliker von der Empa-Abteilung «Reliability Science and Technology» haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit Hilfe von Terahertzstrahlung neu sehen zu lernen, Materialien mit dieser Methode zu durchleuchten und dabei Erkenntnisse zu gewinnen, die es so noch nie gab – oder die bislang nur mit immens teuren Apparaturen zu gewinnen waren. «Uns geht es dabei nicht primär um Spektroskopie», sagt Hack, «uns geht es um möglichst präzise Bilder aus dem Inneren von Materialien und Grenzschichten – und um Echtzeitaufnahmen einer Veränderung, letztlich also um Videos.» Auf diesem Gebiet, so betonen die beiden Empa-Forscher, seien nur wenige Forschergruppen weltweit aktiv. Es gibt also wissenschaftliches Neuland zu entdecken.

https://www.empa.ch/documents/56164/62327/Terahertz_klein_DE.jpg/a1e10843-9f29-4068-ad77-48282ab88344?t=1465999850000
Strahlengang des Terahertz-Experiments: Ein zweigeteilter Laserstrahl tastet die Probe ab. Hineinfassen ist problemlos möglich, denn Terahertzstrahlung ist wenig energiereich und harmlos.
Das Wundscheuer-Problem

Eine der Fragen, die mit Terahertzstrahlung beantwortet werden sollen, ist sehr nahe am Alltag vieler Menschen: wunde Stellen an der Haut. Jeder Wanderer kennt es, und jeder, der schon mal ein Baby gewickelt hat, kann davon berichten. Generationen von Erfinderinnen und Erfindern haben sich an der Lösung versucht. Sie haben die Wegwerfwindel erfunden, diverse Puder und Cremes entwickelt, die die Rötungen verhindern oder bei der Heilung helfen sollen. Doch so erstaunlich es klingen mag, der Mechanismus vom Wundscheuern der Haut ist bislang weitgehend unerforscht. Terahertzstrahlung könnte nun weiterhelfen, denn für diese Wellenlänge sind Textilien «durchsichtig» – an feuchter Haut werden sie jedoch reflektiert.

Hack und Zolliker wollen nun in Zusammenarbeit mit den Textilexperten der Empa das Potenzial der Terahertzbilder ausschöpfen, um die Wechselwirkung zwischen Textil und Haut studieren zu können. Im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) mitfinanzierten Projekts erarbeitet Lorenzo Valzania in seiner Doktorarbeit die Grundlagen dafür. Es ist dazu viel Vorarbeit nötig. So müssen in einer Reihe von Vorversuchen die optischen Eigenschaften der Materialstrukturen ergründet werden. Wie bricht sich der Strahl an Kunstfasern? Wie an Baumwolle? Auch das Textilgewebe selbst ist ein Problem: Es ist ja keine ebene Fläche, sondern ein Gitter, das die Strahlen beugt. Das Bild der Hautoberfläche wird durch Textilien also verzerrt – etwa so wie Glasbausteine in einer Hauswand ein sehr verwaschenes Bild des Gartens zeigen, wenn man durch sie nach draussen schaut. Erst eine aufwändige Nachbearbeitung am Computer mit speziellen Algorithmen macht aus dem verwaschenen Bild eines mit Aussagekraft. Und das ist nur eine der Herausforderungen.

 

https://www.empa.ch/documents/56164/62327/Terahertz_Fingerprint.jpg/25906931-1a8d-4934-a514-cfa245fb8d23?t=1465999896000
Erfolgreiches Experiment: Das Terahertz-Team der Empa konnte bereits einen Fingerabdruck in Wachs abbilden. Bald wollen die Forscher durch eine Lage Textil hindurchschauen. Auch Terahertz-Videos stehen auf dem Plan.
Grundlagenversuche an Materialproben

Die Apparatur, mit der die Forscher den Wellen auf die Spur kommen, passt auf einen grossen Labortisch: Das grösste Bauteil ist der Gas-Laser, er steckt in einem Gehäuse von anderthalb Metern Länge. An seinem Ausgang spaltet ein halb durchlässiger Spiegel den Strahl in zwei Strahlen auf. Schliesslich trifft das Laserlicht auf eine Probe, die auf einem gläsernen Objektträger befestigt ist. Im spitzen Winkel zeichnet eine Wärmebildkamera die reflektierte Strahlung auf.

Der Versuchsaufbau der Empa hat bereits Bilder produziert, die es so nie zuvor zu sehen gab: Das Forscherteam durchleuchtet routiniert viele nicht leitende Stoffe, wie Polyethylen, Textilien und Holzproben, und zeichnet schon jetzt das Durchfeuchten dieser Materialien in Echtzeitvideos auf. Darüber hinaus sind Hack und Zolliker auf bestem Weg, einen grossen Nachteil der Terahertz-Bild-Erfas­sung technologisch zu umgehen: die mangelnde Auflösung der Bilder. Weil Terahertz-Strahlung eine Wellenlänge zwischen 0,1 mm und 1 mm hat, lassen sich damit keine Feinstrukturen abbilden – jedenfalls bis jetzt. Mit Hilfe von Holografie-Technik ist das dennoch möglich. Neben der Intensität kann damit auch die Phaseninformation der Terahertz-Welle bestimmt werden. So wird es möglich, Strukturen abzubilden, die zehnmal kleiner sind, und zusätzlich 3-D-Informationen der Probenaufnahme mit auszuwerten. Die Wirksamkeit dieses Techniktricks bewiesen die Optikspezialisten mit einem Fingerabdruck. Die Struktur mit 0,5 mm Linienabstand ist in der Terahertz-Holografie deutlich zu erkennen, und ihr Höhenprofil wird zugleich vermessen – ein wichtiger Schritt in Richtung
Abbildung wund gescheuerter Hautpartien.

Weitere Informationen

Dr. Erwin Hack
Reliability Science and Technology
Tel. +41 58 765 4273
erwin.hack@empa.ch

 

Dr. Peter Zolliker
Reliability Science and Technology
Tel. +41 58 765 4457
peter.zolliker@empa.ch

 


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