In den fünf Staaten, die im Rahmen des Berichts
«Where are WEEE in Africa?» untersucht wurden (Benin,
Côte d’Ivoire, Ghana, Liberia und Nigeria), fallen
jährlich zwischen 650 000 und 1 000 000 Tonnen Elektroschrott
an, die in den Ländern selber produziert wurden und die es zu
bewirtschaften gilt, um die Gesundheit der Menschen sowie die
Umwelt zu schützen. Der Bericht befasst sich mit aktuellen
Recyclingverfahren sowie den sozio-ökonomischen Eigenheiten
des Elektroschrottsektors in Westafrika. Darüber hinaus
enthält der Bericht quantitative Daten in Hinblick auf
Nutzung, Import und Entsorgung von Elektro- und
Elektronikgeräten in der Region. Als Grundlage dienten
Untersuchungen und Analysen der staatlichen
Abfallbewirtschaftungssysteme, die zwischen 2009 und 2011 in den
fünf Ländern durchgeführt wurden.
«Die effektive Bewirtschaftung des wachsenden
Elektroschrottaufkommens, das in Afrika und anderen Teilen der Welt
produziert wird, stellt ein massgebliches Bindeglied dar im
Hinblick auf den Übergang zu einer kohlenstoffarmen,
ressourcenschonenden grünen Wirtschaft», so Achim
Steiner, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP) und
UN-Untergeneralsekretär. «Indem wir die nachhaltige
Bewirtschaftung des Elektroschrottaufkommens unterstützen und
die im Elektroschrott enthaltenen wertvollen Metalle und Rohstoffe
zurückgewinnen, können wir das Wachstum der afrikanischen
Volkswirtschaften unterstützen, menschenwürdige
Arbeitsplätze schaffen und die Umwelt schützen. Im
Hinblick auf die Rio+20-Konferenz im Juni erläutert der
Bericht, inwiefern Massnahmen wie verbesserte Sammel- und
Rücknahmemethoden Umweltschäden begrenzen und
gleichzeitig wirtschaftliche Chancen bieten können», so
Steiner weiter.
Ein Team der Empa um Mathias Schluep hatte zusammen mit lokalen
Experten die Felduntersuchungen in den Vororten der
westafrikanischen Grossstädte geplant und durchgeführt;
zudem haben die Empa-Experten die örtlichen Beteiligten bei
der Formulierung geeigneter nationaler Strategien zum
Elektroschrottrecycling unterstützt. «Der vorliegende
Bericht ist eine der umfassendsten Untersuchungen über
Aufkommen und Import von Elektroschrott in Entwicklungsländer
sowie den damit verbundenen sozio-ökonomischen
Auswirkungen», erklärt Schluep, einer der Hauptautoren
der Studie, der seit einigen Jahren zahlreiche
Elektroschrottinitiativen in Afrika begleitet.
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Die zwei Seiten des Elektroschrotts: Risiken
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Verglichen mit anderen Regionen der Welt werden Elektro- und
Elektronikgeräte in Afrika immer noch wenig genutzt, die
Nutzerzahlen steigen allerdings rasant. So stieg zum Beispiel die
Verbreitung von Computern innerhalb der letzten zehn Jahre um das
Zehnfache, die Verbreitung von Mobiltelefonen sogar um das
Hundertfache. Elektro- und Elektronikgeräte enthalten
häufig gefährliche Stoffe, etwa Schwermetalle wie
Quecksilber und Blei sowie hormonaktive Stoffe wie bromierte
Flammschutzmittel. Bei Wiederverwendungs- und
Entsorgungstätigkeiten können diese Stoffe freigesetzt
werden, vor allem beim Verbrennen von Kabeln, um an das darin
enthaltene Kupfer zu gelangen, oder von Kunststoffgehäusen, um
das Abfallvolumen zu verringern. Die Verbrennung von Kabeln an
offenen Feuerstellen ist eine der Hauptquellen für Dioxin, ein
langlebiger organischer Schadstoff, der sich über grosse
Entfernungen verbreitet, sich im Gewebe lebender Organismen
anreichert und so in die globale Nahrungsmittelkette gelangt.
Die Belastung durch gefährliche Stoffe in und um
Wiederverwertungsanlagen birgt zahlreiche Gesundheits- und
Sicherheitsrisiken für die Abfallsammler, aber auch für
die an der Wiederaufbereitung beteiligten Arbeitskräfte und
die Bewohner benachbarter Siedlungen. Insbesondere die Gesundheit
von Kindern ist gefährdet. Kinderarbeit, so ergab der
vorliegende Bericht, ist im westafrikanischen Altmetallgewerbe eine
häufige Begleiterscheinung. So sind Kinder ab einem Alter von
12 Jahren beim Sammeln und Trennen der Abfälle beteiligt;
allerdings sind bereits Kinder ab einem Alter von fünf Jahren
mit leichteren Arbeiten wie der Zerlegung kleinerer Teile sowie der
Materialsortierung betraut.
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… aber auch Chancen – sofern richtig
vorgegangen wird
Andererseits sind in Elektro- und Elektronikgeräten aber auch
wertvolle Materialien enthalten, etwa Indium und Palladium sowie
Edelmetalle wie Gold, Kupfer und Silber. Diese können
zurückgewonnen und wiederverwertet werden und sind daher eine
wertvolle Sekundärrohstoffquelle, die den steigenden Bedarf an
knappen natürlichen Rohstoffen mildern und die damit
verbundene Umweltbelastung reduzieren könnte. Im Gegensatz zum
unkontrollierten, «wilden» Recyclingsektor, in dem vor
allem Wanderarbeiter tätig sind, die auf der Suche nach
Arbeit das Land durchstreifen und in der afrikanischen Gesellschaft
oft als «Aasgeier» stigmatisiert sind, erachtet
mittlerweile eine wachsende Zahl gebildeter, semiprofessioneller
Erwerbstätiger Reparieren und Verkauf von Second
Hand-Geräten als einträgliche Betätigung. In Accra
(Ghana) und Lagos (Nigeria) verdienen mehr als 30 000 Menschen ihr
Einkommen im Wiederaufbereitungssektor.
Der vorliegende Bericht, der durch das Sekretariat der Basler
Konvention in Zusammenarbeit mit der Empa, dem Öko-Institut,
dem Europäischen Netzwerk für die Anwendung und
Durchsetzung des Umweltrechts (IMPEL) sowie den Regierungen von
Benin, Côte d’Ivoire, Ägypten, Ghana, Liberia,
Nigeria und Tunesien erstellt wurde, untersuchte die
Materialflüsse von Elektro- und Elektronikgeräten und von
Elektroschrott zwischen Europa und Westafrika. Darüber hinaus
dokumentiert der Bericht das ökonomische und ökologische
Potenzial, das der Aufbau eines modernen
Wertstoffrückgewinnungs- und Abfallbewirtschaftungssystems in
sich birgt und nennt Risiken, die ein Festhalten an den derzeitigen
Verfahren mit sich bringt.
Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts in Kürze:
- Im Jahr 2009 handelte es sich bei rund 70% aller nach Ghana
importierten Elektro- und Elektronikgeräte um gebrauchte
Geräte; 30% dieser importierten Gebrauchtwaren stellten sich
als nicht mehr funktionstüchtig heraus (und sind daher als
Elektroschrott einzustufen), was ein Jahr später zu einem
Elektroschrottaufkommen von rund 40 000 Tonnen führte.
- Felduntersuchungen in Benin und Côte d’Ivoire
zeigten, dass es sich bei rund der Hälfte aller importierten
Elektro- und Elektronikgeräte um nicht mehr
funktionstüchtige, irreparable Geräte handelte, die daher
als Elektroschrottimporte zu definieren sind.
- Eine zwischen März und Juli 2010 durchgeführte
Untersuchung von 176 Containern gebrauchter Elektro- und
Elektronikgeräte, die zwei Kategorien zuzuordnen waren, ergab,
dass mehr als 75% der Container aus Europa kamen, rund 15% aus
Asien, 5% stammten aus afrikanischen Häfen (vornehmlich
Marokko) und 5% aus Nordamerika. Eine ähnliche Aufteilung
konnte in Ghana beobachtet werden, wo 85% der importierten Elektro-
und Elektronikgeräte aus einem europäischen Herkunftsland
stammten, 4% aus Asien, 8% aus Nordamerika und 3% aus anderen
Herkunftsländern.
- Hauptexporteur nach Afrika ist Grossbritannien, sowohl in Bezug
auf neue, als auch gebrauchte Elektro- und Elektronikgeräte,
mit einigem Abstand gefolgt von Frankreich und Deutschland. Nigeria
ist das bedeutendste Importland für neue sowie gebrauchte
Elektro- und Elektronikgeräte, Ghana folgt auf Platz 2.
- Schätzungen gehen von jährlich insgesamt 250 000
Tonnen Elektroschrott aus, die im Laufe der letzten Jahre
«illegal» in die fünf westafrikanischen
Länder importiert wurden. «Diese Menge ist vergleichbar
mit der Gesamtmenge an Elektroschrott, die in kleinen
europäischen Ländern wie Belgien oder den Niederlanden
anfallen, und entspricht etwa 5% des gesamten
Elektroschrott-aufkommens der EU», so Schluep.
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