Stromspeicher

Wettlauf zur Feststoffbatterie

30.06.2022 | RAINER KLOSE

Lithium-Ionen-Batterien ohne brennbare Flüssigkeiten – sogenannte Feststoffbatterien – gelten als der nächste grosse Wurf in der Batterietechnologie. Gäbe es hier einen Durchbruch, könnten Elektroautos auf einen Schlag leichter werden und grössere Reichweiten erzielen. Die Empa verfolgt verschiedene Ansätze und unterstützt die Industrie beim Aufbau von «Gigafactories» zur Batterieproduktion.

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Materialdesign: Batterieexperte Corsin Battaglia analysiert Messergebnisse von Feststoffbatterien. Bild: Empa

Die Feststoffbatterie soll das E-Auto zu neuen Höhen führen: Kürzere Ladezeiten, höhere Reichweiten, totale Brandsicherheit und niedrigere Kosten versprechen die Fahrzeughersteller sich und ihren Kunden von der neuen Batterietechnologie. Doch noch sind viele Fragen um die Superbatterie offen: Kommt sie überhaupt? Und wenn ja: Wann?

Wettbewerb der Weltkonzerne

Das Firmenkonsortium Renault-Nissan kündigte im April 2022 eine Pilotproduktion für Feststoffbatterien ab 2024 an; ab 2028 soll ihr erstes Auto mit dieser Batterietechnologie auf den Markt kommen. Der VW-Konzern investiert in das US-Feststoffbatterien-Startup «Quantumscape». Und auch Toyota, Ford, BMW und Mercedes-Benz sind ins Wettrennen eingestiegen und investieren in Feststoffbatterien-Startups. Ein höchst kompetitives Feld voller grosser Namen also, in dem sich die Empa-Batterieforschung bewegt. In Dübendorf forschen gleich mehrere Teams der Forschungsabteilung «Materials for Energy Conversion» an dieser Batterietechnologie der nächsten Generation.

Das Potential sei immens, sagt Corsin Battaglia, der die Abteilung leitet. Die Technologie der flüssigkeitsbasierten Lithium-Ionen-Batterie sei bald weitgehend ausgereizt. Eine Speicherkapazität von rund 750 Wattstunden (Wh) pro Liter Batterievolumen lasse sich mit der aktuellen Technologie maximal erreichen. Das liegt an der voluminösen Anode, die in jeder Batteriezelle steckt: Sie besteht aus Graphit mit darin eingelagerten Lithium-Ionen.

Feststoffbatterien dagegen sollen eine Speicherkapazität von über 1200 Wattstunden pro Liter erreichen. Und die Zelle kann erst noch kompakter gebaut werden, denn statt Graphit lässt sich Lithium Metall als Anode verwenden. Zudem sind solche Batterien temperaturfest bis weit über 100 Grad Celsius. Das Batteriemanagementsystem, das die Temperatur der Zellen überwacht, kann also einfacher werden, und auch die Kühlung etwa beim Schnelladen ist weniger aufwändig. Feststoffzellen sind also kleiner, leistungsstärker und schneller ladbar.

Die Quadratur des Kreises

Doch der Umstieg zur Batterietechnologie der nächsten Generation ist selbst für Weltkonzerne mit Milliardenbudget kein Spaziergang. Welche Hürden die Feststoffbatterietechnologie bietet, weiss der Empa-Forscher Arndt Remhof aus Battaglias Abteilung: «Das Material, das wir suchen, muss verschiedene Eigenschaften gleichzeitig erfüllen», so Remhof. «Zuerst sollte es ein sehr guter Ionenleiter sein, aber zugleich ein sehr guter elektronischer Isolator.» Eine gute Ionenleitfähigkeit ist notwendig für die Leistungsfähigkeit der Batterie. Die tiefe elektronische Leitfähigkeit ist wichtig, damit sich die Zelle nicht selbst entlädt.

Und Remhof zählt gleich noch weitere Anforderungen auf: «Um die Energiedichte der bestehenden Li-Ionen-Technologie zu übertreffen, muss der Elektrolyt stabil gegen Lithium-Metall sein.» Er muss also gegen chemische Reduktion stabil sein. Zugleich muss der Elektrolyt beim Kontakt mit der Kathode stabil gegen Oxidation sein. Nur dann lassen sich Kathoden mit hohen elektrischen Potentialen einsetzen und die gewünschten, hohen Zellspannungen erreichen.

Immer in Bewegung

Zudem sollte der Feststoffelektrolyt auch stabil gegen Alterungsprozesse sein – vor allem sollten sich an der Kontaktfläche zwischen der Lithium-Anode und dem Elektrolyten keine Risse oder Poren bilden. Das Problem dabei: Bei jedem Lade- und Entladevorgang ändert sich das Volumen der Anode. Das Innere einer Festkörperbatterie ist also während ihrer ganzen Lebensdauer in Bewegung. All diese Veränderungen muss der Elektrolyt überstehen.

Schliesslich neigt metallisches Lithium beim Laden und Entladen der Batterie zur Bildung von Dendriten, feinen Lithium-Filamenten, die von der Lithium-Anode bis zur Kathode wachsen und so einen Kurzschluss verursachen können. Das ist auch der Grund, warum der Einsatz von Lithium-Metall Anoden in herkömmlichen, flüssig gefüllten Li-Ionen-Akkus nicht möglich ist. Selbstverständlich soll der gesuchte Feststoffelektrolyt auch die Bildung dieser Dendriten verhindern.

Lösung auf zwei Wegen

Die Forscherteams an der Empa versuchen mit zwei verschiedenen Ansätzen, die Probleme zu lösen. Ein Team arbeitet an Polymer-Feststoffelektrolyten. Hier erzielten die Forschenden Anfang 2022 einen bemerkenswerten Durchbruch: Zusammen mit einem Industriepartner entwickelten sie einen Polymer-Elektrolyten, basierend auf polymerisierten Salzen, mit einer hohen Ionenleitfähigkeit bei Raumtemperatur, der sowohl im Kontakt mit metallischem Lithium sowie mit Kathodenmaterialien mit hohem Potential stabil ist und Temperaturen bis zu 300 Grad Celsius aushält. Dazu ist dieser Elektrolyt auch noch sehr leicht, nur etwa 1.3-mal schwerer als ein Flüssigelektrolyt. Versuche mit Labor-Batteriezellen von der Grösse einer Zwei-Franken-Münze waren bereits erfolgreich. Grössere Zellen sollen nun in einem von der EU finanzierten Projekt entwickelt werden.

Beim zweiten Ansatz entwickeln die Empa-Forscher Feststoffelektrolyte aus Hydroboraten. «Wir haben bereits 2019 eine Erfindung zum Patent angemeldet, die es uns erlaubt, diese Elektrolyte aus einer Lösung zu kristallisieren», erläutert Remhof. Dies ermöglicht die Herstellung von Feststoffbatterien mit Verfahren, die sich auch für die Massenproduktion eignen. Auch diese Elektrolyte weisen eine hohe Ionenleitfähigkeit, eine hohe Stabilität im Kontakt mit metallischem Lithium sowie eine hohe thermische Stabilität auf und sind in etwa gleich schwer wir ein flüssiger Elektrolyt. 2020 ist es den Forschern gelungen, eine 4 Volt-Feststoffbatterie zu demonstrieren. Zum Vergleich: Aktuelle, flüssig gefüllte Lithium-Ionen-Zellen arbeiten mit Spannungen von 4 Volt.

Nach so vielen Erfolgsmeldungen eine naheliegende Frage: Wo ist das Problem? Warum produziert niemand schon heute diese Batterie? «Zum einen sind unsere Forschungsergebnisse noch recht neu; zum anderen gibt es bis jetzt noch keine günstige Grossproduktion für solche hochreinen Hydroborate», antwortet Empa-Forscher Remhof. Diese wird zurzeit zusammen mit einem Industriepartner entwickelt, der auch bereits eine Grossproduktionsanlage plant.

Schweizer Batterie-Start-ups
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Bild: Blackstone

Die Blackstone Resources AG mit Firmensitz in Zug bereitet in Döbeln, im deutschen Bundesland Sachsen, eine Produktion von Feststoffbatterien der nächsten Generation vor. Im Dezember 2021 startete die Firma mit einem neuartigen 3D-Druckprozess – zunächst werden noch herkömmliche, flüssig gefüllte Lithium-Ionen-Akkus gebaut. Doch der Prozess ist auf Batterien der nächsten Generation anpassbar. Ein Innosuisse-Projekt unter der Leitung der Berner Fachhochschule (BFH) und mit Beteiligung der Empa, soll die Massenproduktion von Feststoffbatterien der nächsten Generation nun möglich machen. Auch das zweites Schweizer Feststoffbatterien-Start-up, die Firma Swiss Clean Battery mit Sitz in Frauenfeld, die eine Technologie der Firma High Performance Battery lizenziert hat, zählt auf die Expertise der Empa.


Redaktion / Medienkontakt
Rainer Klose
Kommunikation
Tel. +41 58 765 4733


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