Im EU-Projekt «NanoHouse» forschten fünf
Abteilungen der Empa zusammen mit vier europäischen
Forschungsinstituten und vier Industriepartnern zum Thema
«Chancen und Risiken von Nanomaterialien in
Fassadenbeschichtungen». Zum ersten Mal wurde nicht nur
frisch hergestellte, sondern auch gealterte und aus Produkten
freigesetzte Nanopartikel untersucht.
Zunächst orientierte Harald Krug, Leiter des
Forschungsschwerpunktes «Materials meet Life»,
über die Nano-Sicherheitsforschung an der Empa. Das
Forschungsinstitut war und ist an mehreren EU-Forschungsprojekten
beteiligt und hat an diversen Informationsbroschüren zum Thema
Nano mitgewirkt. So entstand etwa die Website Nanopartikel.info sowie eine
Info-Broschüre für die Textilindustrie und ihre
Zulieferer. Sie könnte beispielhaft für andere Branchen
sein und ist als pdf verfügbar.
Dann stellte Claudia Som, die das Projekt an der Empa koordiniert
hatte, «NanoHouse» kurz vor. Dieses mit EU-Mittel aus
dem 7. Forschungsrahmenprogramm geförderte Projekt startete
2010 mit dem Ziel, Nanopartikel in Baumaterialien und Häusern
auf ihre Gesundheitsgefährdung zu untersuchen. Auf dem
Programm standen unter anderem Reibversuche an Modellfassaden,
Versuche zur Auswaschung von Nanopartikeln und eine Analyse der
biologischen Wirkungen auf Mensch und Umwelt.
Viele Laborstudien, wenige Produkte
Tina Künniger, Empa-Spezialistin für
Witterungsschutz von Holzoberflächen, erläuterte die
Wirkung von Nanopartikeln in Anstrichfarben: Manche Farben mit
Siliziumdioxid sollen wasserabweisend, leicht zu reinigen und
kratzfest sein; Nano-Titandioxid wirkt fotokatalytisch und kann
Luftsschadstoffe abbauen. Auch können Nano-Titandioxid,
Nano-Zinkoxid und Nano-Eisenoxid als UV-Schutz eingesetzt werden,
je nach Grösse der Partikel auch als Schutz vor
Infrarotstrahlung, also: Hitze. Ebenso sollen Nanopartikel vor
Blaufäulepilzen und Algenbefall schützen. Viele
Laborstudien belegen die Wirksamkeit der Nanopartikel, doch in der
Praxis bleibt die Frage: Wie viel muss ich der Farbe beimischen,
damit es auch wirkt? Aus diesem Grund sind bislang nur wenige
Nano-Produkte für Aussenfassaden auf dem Markt. Die
grössten Chancen der Nanopartikel liegen in der Kombination
verschiedener Funktionalitäten, zum Beispiel UV-Schutz
und leicht- oder selbst-reinigend.
Erstaunlich wenig freigesetzt
Bernd Nowack, Leiter der Gruppe «Environmental Risk
Assessment and Management» an der Empa, erläuterte
danach die Ergebnisse der Freisetzungsversuche. Die Rate liegt
generell sehr niedrig: Nur 1-2 Prozent der Nanopartikel gelangen in
die Umwelt. Und diese sind nicht etwa frei unterwegs, sondern meist
an grössere Farbpartikel gebunden, was ihre nanospezifische
Wirkung deutlich mindert. «Wir waren erstaunt, wie wenig
herauskommt», räumte Nowack ein. Die Forscher
hätten erwartet, dass katalytisch aktive Nanopartikel auch die
Farbe um die Partikel herum angreifen und dadurch häufiger
freigesetzt werden würden.
Jean–Pierre Kaiser zeigte mit seinen toxikologischen
Untersuchungen, dass Farben mit Nanopartikeln dieselben Effekte auf
das Verhalten von Magen-Darm-Trakt-Zellen und Immunzellen
verursachen wie entsprechende Farben ohne Nanopartikel. Daher
erwartet der Empa-Forscher, dass die Farben mit Nanopartikeln kein
neues akutes Gesundheitsrisiko darstellen. Gleichzeitig zeigten die
Untersuchungen allerdings, dass Nanopartikel von den Zellen
aufgenommen werden. Ob diese Akkumulation in den Zellen zu
Spätfolgen führt, könne derzeit noch nicht
abschliessend beurteilt werden.
In der Bewertung möglicher Umweltschäden plädierte
Empa-Umweltwissenschaftler Roland Hischier fürs Abwägen:
Für ein Haus mit einer angenommenen Lebensdauer von 80 Jahren
wäre ein Anstrich mit Nano-Farbe günstiger, falls diese
um 30 Prozent länger hält. Denn damit hätte man
einen ganzen Hausanstrich eingespart – mit allen
Umweltbelastungen bei der Farbproduktion und bei der Entsorgung der
Farbreste. Diese These blieb jedoch umstritten: Oft werde eine
Farbschicht aus ästhetischen Gründen erneuert, nicht weil
sie defekt ist. Damit wäre der Lebensdauervorteil der
Nanofarbe passé.
Geringe Kenntnisse in der Industrie
Ingrid Hincapie, Risikoforscherin an der Empa, berichtete
schliesslich von ihrer Umfrage in der Industrie. Viele Firmen
erwarten eine höhere Lebensdauer von Farben mit Nanopartikeln,
einige versprechen sich leichtere Handhabung, etwa eine schnellere
Trocknung der Farbe. Nur: Wie man Nanopartikel, etwa in Farbresten,
entsorgen soll, das wissen nur wenige.
Aus der Praxis berichtete Peter Seehafer vom Maler und
Gipserverband: Der Kunde ist König – und verlangt
bisweilen nach der neuesten Technologie bei der Anstrichfarbe.
Andererseits liegt gerade bei Malern der Frauenanteil bei rund 50
Prozent. Schutz vor schädlichen Chemikalien ist daher
besonders wichtig. «Unser Verband braucht mehr Information,
damit wir gegenüber unseren Kunden und unseren Angestellten
klar Position beziehen können», forderte Seehafer.
André Hauser vom Bundesamt für Umwelt (BAFU)
erläuterte schliesslich die aktuellen, gesetzlichen
Bestimmungen zu Entsorgung von Abfällen mit Nanomaterialien.
Das BAFU gibt auf seiner Website Tipps zur Entsorgung. Die aktuellen
Regelungen zum Arbeitsschutz erläuterte Kaspar Schmid vom
Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Entscheidend sei,
dass der Hersteller der Materialien ein Sicherheitsdatenblatt
beilegen muss, wie bei jeder anderen Chemikalie auch.
Internet-Links
Empa_Website des EU-Projekts
«NanoHouse»
Informationsseite über Nanopartikel
Informationsbroschüre für die Textilbranche
Interview mit Harald Krug: «Wie gefährlich sind
Nanopartikel für die Gesundheit?» im Deutschlandfunk. Download als mp3-Datei
|