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Quele: iStock-Foto |
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Es ist
ein langwieriger Prozess, bis ein Schadstoff als solcher
identifiziert, seine schädigenden Wirkungen aufgeklärt
und er weltweit verboten ist. Dies weiss auch Norbert Heeb,
Chemiker in der Empa-Abteilung «Analytische Chemie». Er
war daran beteiligt, die genauen Strukturen von HBCD
(Hexabromcyclododecan) aufzudecken. Die Substanz entpuppte sich bei
genauem Hinsehen nämlich als eine ganze Gruppe von
Verbindungen. Zusammen mit Forscherinnen und Forschern der ETH
Zürich, der Eawag und der Zürcher Hochschule für
Angewandte Wissenschaften (ZHAW) veröffentlichte er mehrere
Studien, die zeigen, wie HBCD aufgebaut ist, welche Formen sich in
der Umwelt anreichern und als persistente organische Schadstoffe
(POPs) gelten. |
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Empa-Forscher
züchteten Kristalle aus einem gereinigten HBCD-Stereoisomer
(Lichtmikroskop-Aufnahme). |
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Seit den
1980er-Jahren wurden HBCD als Flammhemmer in Plastik, Textilien,
Möbeln, Elektronik und Isolationsmaterialien verwendet.
Über 20‘000 Tonnen wurden davon jährlich weltweit
produziert, der grösste Teil davon für
Polystyrol-Dämmplatten zur Gebäudeisolation. Jeder
Kubikmeter extrudiertes Polystyrol enthielt bis zu ein Kilogramm
HBCD; beachtliche Mengen schlummern auch in Schweizer
Häusern. |
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Vom ersten Verdacht zum weltweiten Verbot
Seit Längerem bestand begründeter Verdacht, dass HBCD als
Umweltgift Fische und Säugetiere schädigen können.
HBCD sind genügend fettlöslich, um sich entlang der
Nahrungskette anzureichern und bauen sich in der Umwelt so langsam
ab, dass sie über grosse Strecken transportiert werden
können; mittlerweile werden HBCD auch in arktischen Gebieten
nachgewiesen. Aufgabe der UN-Experten war es nun, zu bewerten, ob
HBCD die in der Stockholm-Konvention definierten Kriterien für
POPs erfüllen. Neben den exakten chemischen Strukturen mussten
auch Abbaubarkeit (Persistenz), Bioakkumulation, das Potential
für Ferntransport und schädigende Wirkungen einzelner
HBCD-Stereoisomere wissenschaftlich aufgeklärt werden. |
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Indem die
Kristalle mit Röntgenstrahlen durchleuchtet wurden, konnten
die exakten räumlichen Strukturen. |
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Komplexe Stereochemie
Zunächst deckten Forscherinnen und Forscher der Empa und der
ETH Zürich auf, dass technisches HBCD in Wirklichkeit ein
Gemisch aus mindestens acht verschiedenen Stereoisomeren ist.
Stereoisomere sind Substanzen, die zwar die gleiche chemische
Zusammensetzung aufweisen, sich jedoch durch die räumliche
Anordnung ihre Atome unterscheiden. Sechs der acht Stereoisomere
besitzen unterscheidbare Spiegelbilder, sie sind chiral, und
verhalten sich zueinander wie die rechte zur linken Hand. Bei zwei
weiteren Stereoisomeren sind Bild und Spiegelbild dagegen identisch
– man spricht von Meso-Formen: Solche Moleküle besitzen
zwar Stereozentren, sind aber dennoch achiral. Heeb und seine
Kollegen folgerten bereits früh, dass sich einzelne
Stereoisomere nicht nur in ihrer dreidimensionalen Gestalt, sondern
auch in ihrer Toxizität und ihrem Umweltverhalten
unterscheiden könnten. Dies wurde inzwischen von anderen
Forschungsgruppen bestätigt. Ausserdem zeigten die
Empa-Arbeiten an flammgeschützten Polystyrolen, dass sich HBCD
bereits während der Verarbeitung der Materialien in bislang
unbekannte, möglicherweise ebenfalls toxische Folgeprodukte
umwandeln. |
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Zusammen
mit KollegInnen der Eawag konnten die Empa-WissenschaftlerInnen
auch zeigen, dass HBCD – vermutlich durch atmosphärischen
Transport – in Schweizer Gewässer und somit in Fische und
Sedimente gelangten. Da flammgeschützte Textilien, Teppiche,
Plastik und elektronische Geräte vor allem in Innenräumen
eingesetzt werden, überrascht es nicht, dass HBCD auch im
Hausstaub auftaucht. Nicht nur durch den Kontakt mit Hausstaub,
auch durch den Konsum fettreicher tierischer Nahrungsmittel nimmt
der Mensch HBCD auf. Ein Team um den Empa-Forscher Andreas Gerecke
konnte zeigen, dass das Zuschneiden von Polystyrolplatten mit
Heizdrähten HBCD freisetzt, die an winzige Plastikpartikel
gebunden sind. Diese Partikel können eingeatmet werden und so
ebenfalls zu einer erhöhten HBCD-Belastung führen. |
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Kristallstrukturen von (-)alpha-, (-)beta- und (-)gamma-HBCD
(von oben nach unten). Besonders alpha-HBCD-Formen werden schlecht
abgebaut und reichern sich entlang von Nahrungsketten an. |
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Klare Beweislage: Schuldig im Sinne der
Anklage
Die Befunde waren letztlich eindeutig: 30 Jahre nach Beginn der
industriellen Produktion und Anwendung auf der ganzen Welt hat das
Expertengremium der Stockholm-Konvention HBCD als POPs klassiert
und damit den Grundstein für das weltweite Verbot gelegt. Der
Beschluss wurde formal am 9. Mai 2013 umgesetzt und tritt mit einer
etwa einjährigen Übergangsphase in Kraft. Norbert Heeb
meint dazu: «Einmal mehr müssen wir nach besseren
Alternativen suchen. Und die vielen Gebäude, die mit
HBCD-haltigen Polystyrolen isoliert wurden, sind zu einer Altlast
geworden, die uns in Zukunft noch hohe Entsorgungskosten bescheren
dürften.» |
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