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Legende: Das 4 x 2 Nanometer kleine
Molekül-Auto fährt auf seinen elektrisch angetriebenen
Rädern über eine Kupferoberfläche.
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Um
mechanische Arbeit zu verrichten, greifen wir meist auf Motoren
zurück. Mit diesen wandeln wir chemische, thermische oder
elektrische Energie in Bewegungsenergie um, etwa um Waren von A
nach B zu transportieren. Die Natur macht es gleich; in Zellen
verrichten so genannte Motorproteine – zum Beispiel Kinesin
und das Muskelprotein Aktin – diese Aufgabe. Meist gleiten sie
an anderen Proteinen entlang, ähnlich wie ein Zug auf
Schienen, und «verbrennen» dabei ATP
(Adenosintriphosphat), sozusagen das chemische Benzin der belebten
Natur. |
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Ziel
vieler Chemiker ist es, mit Hilfe ähnlicher Prinzipien und
Konzepte molekulare Transportmaschinen zu entwerfen, die dann auf
der Nanoskala bestimmte Arbeiten verrichten könnten.
Wissenschaftlern der Universität Groningen und der Empa ist
nun «ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu
künstlichen nanoskaligen Transportsystemen» gelungen,
wie das Wissenschaftsmagazins «Nature» in seiner
neusten Ausgabe schreibt. Sie haben ein Molekül aus vier
rotierenden Motoreinheiten – sprich: Räder –
synthetisiert, das kontrolliert geradeaus fahren kann. «Dabei
braucht unser Auto weder Schienen noch Benzin; es fährt mit
Strom. Es dürfte das kleinste Elektromobil der Welt sein
– und dann erst noch mit Allradantrieb», sagt
Empa-Forscher Karl-Heinz Ernst. |
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Reichweite pro Tankfüllung: noch
verbesserungsfähig
Der Nachteil: Das circa 4 x 2 Nanometer kleine Auto – rund
eine Milliarde Mal kleiner als ein VW Golf – muss nach jeder
halben Radumdrehung erneut mit Strom betankt werden –
über die Spitze eines Rastertunnelmikroskops (STM, engl.
für Scanning Tunneling Microscope). Ausserdem können sich
die Räder aufgrund ihres molekularen Designs nur in eine
Richtung drehen. «Es gibt keinen
Rückwärtsgang», so Ernst lakonisch, der auch
Professor an der Universität Zürich ist. |
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«Nature»-Titelblatt der Ausgabe vom 10. November
2011 mit dem wohl «kleinsten Elektromobil der
Welt» |
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Der
Antrieb des komplexen organischen Moleküls funktioniert
gemäss «Bauplan» folgendermassen: Nachdem Ernsts
Kollege Manfred
Parschau es auf eine Kupferoberfläche sublimiert und die
STM-Spitze in gebührendem Abstand darüber positioniert
hatte, legte er eine Spannung von mindestens 500 Millivolt an. Nun
sollten Elektronen durch das Molekül «tunneln» und
dadurch reversible strukturelle Veränderungen in jeder der
vier Motoreinheiten auslösen. In einem ersten Schritt findet
eine cis-trans-Isomerisierung an einer Doppelbindung statt, eine
Art Umlagerung – allerdings in eine räumlich extrem
ungünstige Position, in der sich grosse Seitengruppen
gegenseitig den Raum streitig machen. Als Folge davon klappen die
beiden Seitengruppen aneinander vorbei und landen wieder im
energetisch günstigeren Ausgangszustand – das Schaufelrad
hat eine halbe Drehung absolviert. Drehen sich alle vier Räder
simultan, sollte das Auto vorwärts fahren. So wollte es
zumindest die Theorie aufgrund der Molekülstruktur. |
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Fahren oder nicht – eine Frage der
Orientierung
Und genau das beobachteten Ernst und Parschau: Nach zehn
STM-Anregungen hatte sich das Molekül um sechs Nanometer nach
vorne bewegt – auf einer mehr oder weniger geraden Linie.
«Die Abweichungen von der vorhergesagten Trajektorie kommen
daher, dass es nicht ganz trivial ist, alle vier Motoreinheiten
zeitgleich anzuregen», erklärt «Testfahrer»
Ernst. |
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Dass das
Molekül sich tatsächlich so verhält wie
vorhergesagt, zeigte ein weiteres Experiment. Um die zentrale
Achse, eine C-C-Einfachbindung – das Chassis des Autos
sozusagen –, kann ein Teil des Moleküls frei rotieren. Es
kann also auf der Kupferoberfläche in zwei verschiedenen
Orientierungen «landen»: in einer richtigen, in der
alle vier Räder sich in die gleiche Richtung drehen, und in
einer falschen, in der die Räder der Hinterachse sich nach
vorne, die vorderen aber nach hinten drehen – das Auto bleibt
trotz Anregung stehen. Auch dies konnten Ernst und Parschau mit dem
STM klar verfolgen. |
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Ein
erstes Ziel hat das niederländisch-schweizerische Team also
erreicht, ein «proof of concept» nämlich, dass
einzelne Moleküle externe elektrische Energie aufnehmen und in
eine gezielte Bewegung umwandeln können. Als nächstes
planen Ernst und Co., Moleküle zu entwickeln, die sich mit
Licht antreiben lassen, etwa in Form eines UV-Lasers. |
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