KTI-Massnahmenpaket gegen den «Starken Franken»

Gut erfunden ist halb verkauft

10.10.2011 | RAINER KLOSE
Das jüngst vom Schweizer Parlament beschlossene Massnahmenpaket gegen den «Starken Franken» war das Hauptthema an der Veranstaltung «Smart Textiles» am vergangenen Freitag an der Empa. Die exportabhängige Schweizer Textilbranche leidet besonders unter dem hohen Frankenkurs. Ein probates Mittel gegen die günstigere Konkurrenz aus dem Ausland sind innovative Produkte wie Textilien mit eingebauten Sensoren oder Fasern mit Spezialbeschichtungen.
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Legende: Manfred Heuberger, Leiter der Empa-Abteilung «Advanced Fibers» (Mitte) diskutiert mit einem Tagungsgast.

 

Die Tagung «Smart Textiles» der Empa in Zusammenarbeit mit dem CSEM (Centre suisse d’électronique et de microtechnique) bildete den passenden Rahmen, um auf die neuen Fördermöglichkeiten der KTI hinzuweisen. Empa-Direktor Gian-Luca Bona zeigte den Teilnehmenden die verschiedenen Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke auf, die gleichentags vom Schweizer Parlament beschlossen wurden. Die Fördermassnahmen seien enorm wichtig, so Bona: «Man muss nur schauen, wie massiv in anderen Innovationszentren dieser Welt investiert wird – etwa in der Bay-Area von San Francisco oder an den Elite-Instituten rund um Boston, aber auch in Singapur und Shanghai. Von den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) ganz zu schweigen, die holen mit grosser Geschwindigkeit auf.»
Bundesrat und Parlament wollen nun helfen: In einem ersten Paket soll die KTI 100 Millionen Franken zur Innovationsförderung in exportorientierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erhalten. Die Gelder werden über Forschungsinstitutionen wie die Empa oder das CSEM, die am Projekt beteiligt sind, verteilt. Genehmigt der Bundesrat die Massnahmen, treten sie am 13. Oktober in Kraft; Antragsformulare stehen auf der Website des KTI bereit (www.kti.admin.ch), Stichwort «Menü der flankierenden Massnahmen». Die Anträge müssen bis 15. Dezember 2011 eingereicht, die entsprechenden Verträge bis 31. Dezember unterschrieben sein.

 

Was wird gefördert?

  • Expressverfahren, die in Forschungs- und Entwicklungsprojekten rasch neue Erkenntnisse in innovative Produkte umsetzen (z.B. Zuverlässigkeitsprüfungen, Troubleshooting, Analytik)
  • Analyse und Beratung durch die Forschungspartner, um die Markteinführung neuer Produkte zu beschleunigen
  • Anschaffung von Anlagen und Geräten, die zur Durchführung eines Vorhabens unentbehrlich sind   (z. B. im Bereich Machbarkeit und Prototyping)
  • Externe Beratungspartner, etwa Ingenieurbüros und Beratungsunternehmen, die das Projekt voranbringen können. Anträge für externe Beratung müssen über eine von der KTI «anerkannte» Forschungsinstitution (z. B. Empa, CSEM; vollständige Liste auf www.kti.admin.ch) eingereicht werden.
  • Das zu fördernde Projekt sollte entweder zu einer Markteinführung innerhalb der nächsten 18 Monate führen oder – bei längerer Laufzeit – im Erfolgsfall überdurchschnittliche Erträge versprechen und zugleich mit hohem finanziellem Risiko verbunden sein.


Wer kann eine KTI-Förderung beantragen?

  • Unternehmen, die Anteile der Wertschöpfung durch Exporte aus der Schweiz oder durch das Zuliefern von Produkten an exportorientierte Unternehmen generieren und die vom Einfluss des «Starken Frankens» besonders hart betroffen sind.
  • Das zu fördernde Unternehmen sollte bereits ein Innovationsprojekt mit einer von der KTI als beitragsberechtigt anerkannten Forschungsinstitution begonnen oder ein solches Projekt in unmittelbarer Planung haben.
 

Textile Hightech-Ideen für den Weltmarkt

An der Empa-Tagung «Smart Textiles» konnten sich die Teilnehmenden über verschiedene gemeinsame Forschungsprojekte von Empa und CSEM informieren, die der Schweizer Textilindustrie in Zukunft einen Innovationsvorsprung versprechen. Eine Forschungsgruppe beschäftigt sich mit der möglichst präzisen Messung der Körpertemperatur mit in der Kleidung integrierter Sensoren. Nutzniessende könnten Sportler, aber auch Feuerwehrleute sein – bei ihnen hängt nicht selten die Gesundheit davon ab, ob ein Anstieg der Körpertemperatur rechtzeitig erkannt wird. Ein weiteres Forschungsteam widmet sich der Entwicklung optischer Sensoren in der Faser. Mit solchen Sensorfasern liesse sich etwa die Wundheilung unter einem Pflaster überwachen. Der Sensor entdeckt gefährliche oder die Heilung verzögernde Infektionen und ermöglicht dem Arzt, rechtzeitig einzugreifen. Doch nicht nur Menschen, die es zu bekleiden gilt, sorgen für Umsatz in der Textilindustrie – viele Fasern und Textilien sind auf technische Anwendungen massgeschneidert. So wird etwa ein in der Schweiz hergestellter und von der Empa mitentwickelter Faden mit hauchdünner, hochfester Silberbeschichtung für industrielle Filter verwendet. Andere Fasern vermögen Zugkräfte oder Längenveränderungen zu erkennen und finden im Bauwesen Verwendung.

 

 
  Empa-Direktor Gian-Luca Bona stellt auf der Tagung «Smart Textiles» die KTI-Fördermittel vor.
 

 

Was erfahrene Empa-Forschungspartner raten

Etliche Teilnehmende waren oder sind bereits in KTI-Projekten mit der Empa engagiert – oder kurz davor, ein Projekt einzureichen. Paul Sphikas etwa, Sales und Marketing Manager der Firma Art of Technology, findet die Sondermassnahmen äusserst hilfreich: «Ich bin überzeugt, dass die nun zur Verfügung stehenden Gelder zu Innovationen führen und Schweizer Firmen Vorteile auf dem Weltmarkt verschaffen.» Seine Firma entstand vor 12 Jahren als Spinoff der ETH Zürich und bietet sich als externe Beratungsfirma für Forschungsprojekte an. Gerade lief ein neues Projekt mit der Empa an – es geht um geeignete Funktionstextilien zum Filtern von Abluft aus Industrieanlagen.
Andere Projekte hat Art of Technology gerade abgeschlossen: Das «Alfapump»-System der US-Firma Sequana pumpt Körperflüssigkeiten aus dem Körper eines Patienten. Es lässt sich implantieren und per Induktionsaufladung durch die Bauchdecke mit Strom versorgen. Das System wurde in der Schweiz entwickelt und erhielt vor sechs Wochen die CE-Sicherheitszulassung. «Für eine solche Entwicklung ist enorm viel Knowhow notwendig», weiss Sphikas. «Es braucht zugleich Kenntnisse im Umgang mit aggressiven Flüssigkeiten, in Elektronik, in der Verkleinerung von Bauteilen und beim Thema Power Management. So etwas kann eine mittelständische Firma nicht alleine entwickeln.»

 

Ein weiter Weg vom Prototyp bis zur Markteinführung

Ivo Locher leitet den Bereich «Smart Fabrics» bei der Firma Sefar, einem Industriegewebehersteller, und arbeitet mit der Empa zusammen an einem Sensor, der auf leitfähigen Fasern basiert. Sein Projekt ist derzeit in der «proof-of-concept»-Phase, und Locher kann sich gut vorstellen, dass er bald einen Antrag auf KTI-Förderung stellen wird: «Von dem Tag, an dem ein Prototyp zuverlässig funktioniert, bis das Produkt marktfähig ist, ist es ein weiter Weg. Ein entscheidender Schritt dabei ist, vom Labormuster zu grösseren Herstellungsmengen zu kommen, ohne dabei die Zuverlässigkeit einzubüssen.» Locher findet die KTI-Förderung eine gute Sache. «Der grosse Vorteil der KTI-Projekte ist, dass es im Vergleich zu EU-Projekten deutlich weniger administrativen Aufwand gibt. Das ist ein wesentlicher Vorteil der Schweiz.»
Locher rät Firmen, die sich auf die KTI-Förderprojekte bewerben wollen, zu guter Vorbereitung: «Man muss sein Bedürfnis klar definieren und dann die richtigen Projektpartner suchen. Es ist wichtig zu wissen, dass ein KTI-Projekt Zeit braucht», betont Locher. «Ein KTI-Projekt ist gut zum Abklären einer Idee, von der man sagt: Das wollen wir mal machen. Wenn es aber sehr dringend ist – wenn schon der Schuh drückt –, dann ist solch ein Projekt mitsamt Partnersuche und Bewilligungsverfahren zu langsam.»
Die nun anlaufenden Sondermassnahmen sind für Locher der richtige Ansatz: Zurzeit seien zwar die Auftragsbücher vieler Unternehmen noch voll, aber wenn die Wirtschaft schwächelt, sei die Versuchung gross, gerade bei langfristigen Forschungsprojekten Gelder zu streichen. «Wenn man diese Mittel vom Bund bekommt, kann man diese Forschungsvorhaben weiter betreiben. So bleibt unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten.»

 
Manfred Heuberger, Leiter der Empa-Abteilung «Advanced Fibers», rät wegen der knappen Antragsperiode dazu, Projekte einzureichen, die schon in der Schublade liegen. «Am besten ist es, wenn der Industriepartner bereits Marktzugang und auch schon ein Produkt auf dem Markt hat, das er weiterentwickeln will.» Schon jetzt zeichnet sich eine grosse Nachfrage nach den KTI-Fördergeldern ab; Heubergers Team ist bereits weitgehend ausgelastet. Daher sei es begrüssenswert, dass bereits eine weitere Runde an Fördermassnahmen in Aussicht steht, die voraussichtlich im Frühjahr 2012 zum Tragen kommen.
 

«Raus aus dem Mainstream»

Niklaus Zemp von der Tersuisse SA verfolgt seit fünf Jahren zusammen mit der Empa ein Projekt, um nanometerdünne Schichten Silber oder Gold auf Fäden aus seiner Spinnerei aufzubringen. Auch er wird demnächst einen KTI-Antrag stellen. «Wir müssen raus aus dem Mainstream und hoch entwickelte Spezialprodukte anbieten. Das ist schon seit zehn Jahren unsere Strategie – und die müssen wir noch beschleunigen», sagt Zemp. An den Silberfäden, die für Modeartikel, aber auch für industrielle Filtergewebe Verwendung finden, gibt es Verbesserungspotenzial – die Fäden müssen etwa vor Korrosion geschützt werden. Das nächste Forschungsprojekt steht also bereits an.
Ein Schweizer Unternehmer muss enorme Anstrengungen unternehmen, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können, weiss der Tersuisse-Chef: «Wir sind ja nicht alleine auf der Welt: Auf europäischer Ebene wird genauso intensiv geforscht, und wenn man nach China schaut, sieht man Forschungseinrichtungen, da können wir nur staunen.» KMU seien bei weitem nicht in der Lage, den notwenigen Aufwand alleine zu stemmen, sagt Zemp. «Die Analysemethoden werden immer komplizierter, die ganze Forschung wird immer teurer. Daher ist es nicht mehr möglich, auf eigene Faust Grundlagenforschung oder komplizierte angewandte Forschung zu betreiben», so Zemp. Und auf diesem Gebiet herrsche längst der globale Wettbewerb. Zemps Fazit ist klar: «Wer nicht auf dem Niveau von Marketing-Gags stecken bleiben will, braucht starke Forschungspartner.» Die KTI-Fördermassnahmen bieten nun dazu Gelegenheit.

 
 


 

Flankierende Massnahmen zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit durch Innovation
(PDF-File 674 KB)

 

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