Wohlfühloase oder Stressquelle?

13.06.2024 | CORNELIA ZOGG / EAWAG

In einem kürzlich gestarteten Projekt untersucht das Wasserforschungsinstitut Eawag zusammen mit der Empa auf dem gemeinsamen Campus in Dübendorf, wie sich der Einsatz von Erdsonden-Wärmespeichern auf das umliegende Erdreich, das Grundwasser und die darin lebenden Mikroorganismen auswirkt.

https://www.empa.ch/documents/56164/29644090/ARTS-stopper.jpg/059b31ef-11ee-421b-83b4-cb936efbbb19?t=1718109190000
Auf dem Areal des Empa Eawag Campus stehen nun drei Boxen, ausgestattet mit Sensoren und je einem Massenspektrometer. Unter ihnen führen die Grundwasser-Pumpen 30 und 70 Meter in die Tiefe. Bild: Empa

Klassische Erdsonden-Wärmepumpen holen im Winter die Wärme aus dem Boden, um Gebäude zu heizen. Bei den auf dem neuen Forschungscampus der Empa und der Eawag installierten Bohrloch-Wärmespeichern handelt es sich jedoch um Erdsonden, die nicht nur im Winter die Wärme an die Oberfläche holen können, sondern die Hitze aus den Sommermonaten in den Boden zurückführen, damit diese dann in der kälteren Jahreszeit zur Verfügung steht. Dabei werden dem Speicher Temperaturen bis zu 65 Grad Celsius zugeführt. Das führt dazu, dass lokal im Boden bis zu 50 Grad Celsius erreicht werden.

Bislang ist allerdings wenig darüber bekannt, wie der Untergrund und die Ökosysteme in diesen Tiefen auf eine solche Erwärmung reagieren. Das regelmässige Erhitzen und Abkühlen der Sonden in bis zu 100 Metern Bodentiefe kann die chemischen Komponenten im Grundwasser ebenso beeinträchtigen wie die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden und im Wasser. Wie und in welchem Ausmass genau, ist nun Teil des neuen Forschungsprojekts ARTS («Aquifer Reaction to Thermal Storage»).

https://www.empa.ch/documents/56164/29644090/ARTS-para-Grafik-DE.png/cba676f3-1748-4ef3-a629-b51628b3eafe?t=1718264597000
Die Hochtemperatur-Erdsonden unter dem Campus reichen bis in 100m Tiefe. Drei Grundwasserpumpen holen das Grundwasser an drei verschiedenen Standorten an die Oberfläche. Grafik: Eawag
Ein einzigartiges Setting
https://www.empa.ch/documents/56164/29644090/ARTS-para-miniruedi.jpg/3a5c1b11-d0d3-4c26-a44e-008675a76884?t=1718109190000
In der Box an der Oberfläche befinden sich die Sensoren zusammen mit dem Massenspektrometer. Bild: Eawag, Joaquin Jimenez-Martinez

144 Erdwärmesonden wurden auf dem neuen Forschungscampus in Dübendorf «abgeteuft». Sie führen bis zu 100 Meter in die Tiefe und laufen in einem Kellerraum neben dem neuen Parkhaus zusammen. Das Erdsondenfeld wird vom Team des ehub («Energy Hub») der Empa genutzt, um experimentelle Auslegungen solcher Speicher und das Zusammenspiel mit anderen Wärmequellen zu untersuchen. Erste Resultate zeigen, dass es einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung eines lokalen Energiesystems leisten kann.

Neu sind im Januar drei weitere Löcher in den Boden gebohrt worden: die Grundwasser-Beobachtungspunkte von ARTS. Über die nächsten drei Jahre werden aus dem Untergrund Wasserproben an die Oberfläche befördert, die Aufschluss darüber geben sollen, wie die Mikrobiologie der Umgebung auf die Sonden reagiert und inwieweit die chemische Beschaffenheit des Grundwassers beeinflusst wird.

Von den drei Bohrlöchern fördern die Forschenden mittels fünf Pumpen Grundwasserproben zutage, bevor, während und nachdem es mit den Erdsonden in Kontakt kommt. In den ersten Jahren des Projekts werden erst zwei der drei Beobachtungsstationen relevant sein, da bereits einige Monate nach Inbetriebnahme der Sonden Vergleiche möglich sind. Bis das Grundwasser aus der direkten Umgebung der Sonden allerdings die dritte Station weiter abseits erreicht, kann es mehrere Jahre dauern – so langsam fliesst das Wasser durch den Untergrund.

Massenspektrometer in Kleinformat
https://www.empa.ch/documents/56164/29644090/ARTS-para-Bohrkern.jpg/fc6ea0c5-39b2-4499-80e9-d8c208f8d086?t=1718109190000
Unser Erdreich besteht aus mehreren Schichten. Nahe der Oberfläche ist es porös und locker, in der Tiefe allerdings kompakt wie Beton. Im Bild: Erdreich aus den Bohrlöchern für die notwendigen Grundwasser-Pumpen. Bild: Eawag, Joaquin Jimenez-Martinez

Ziel des Projekts ist es, Einblicke über die Reaktionen zu erhalten, die diese Art von Wärmespeichern im Grundwasser auslösen. Das beinhalte nicht nur die Hydrogeochemie und die Mikrobiologie, sondern auch die Analyse von entstehenden Gasen wie Sauerstoff, Methan oder Kohlenstoffdioxid durch die Wärmeeinwirkung im Boden. Solche Gase werden hauptsächlich von Bakterien im Untergrund konsumiert und produziert – abhängig von Hitze- und Kälteeinwirkung. Dazu fliesst das Wasser in ein an der Eawag entwickeltes Massenspektrometer GE-MIMS (auch «Mini-RUEDI» genannt). «Für die nächsten drei Jahre messen Geräte stündlich die gelösten Gase im Grundwasser, während pro Minute 2,4 Liter Wasser durch das Massenspektrometer laufen», erklärt Joaquin Jimenez-Martinez, Leiter des Projekts und Forscher der Eawag-Abteilung «Wasser und Trinkwasser».

Die Wasserproben werden ausserdem von Forschenden der Eawag-Abteilungen «Umweltmikrobiologie» sowie «Aquatische Ökologie» regelmässig im Labor untersucht. Für sie steht die Frage im Zentrum, wie sich die mikrobielle Vielfalt unter dem Einfluss von Temperaturen dieser Grössenordnung verändern. Ebenfalls lassen sich mit DNA-Spuren (eDNA) nachweisen, welche Organismen das Grundwasser bevölkern und ob sich ihre Anzahl und Verbreitung aufgrund der Erdsonden verändert.

 

Grosses Interesse bei Bund und Kantonen

Die Schweiz verfügt heute schon über die höchste Dichte an Erdwärmesonden in ganz Europa, daher stösst das Projekt bei Bund und Kantonen auf reges Interesse. Die Nachfrage nach neuen Möglichkeiten zur Energiegewinnung und saisonalen Speicherung ist im Rahmen der Energiewende zusätzlich gestiegen. Ebenso von Interesse sind die Auswirkungen des Temperatureintrags auf das Grundwasser als Gesamtsystem. ARTS wird daher vom Bundesamt für Energie (BFE) sowie von den Kantonen Zürich, Aargau, Thurgau, Zug und Genf unterstützt und läuft unter der Kooperation der Empa und der Eawag. Dabei tragen Mitarbeiter aus den Umweltämtern von Zürich und Thurgau auch fachlich zum hydrogeologischen Verständnis bei. Eine Zusammenarbeit in diesem Umfang ist nicht alltäglich und auch die Geschwindigkeit, mit der das Projekt entstand, ist beispiellos. «Von der ersten Idee bis zur Bohrung der Löcher auf dem Campus für die Sensoren sind nur gerade zehn Monate vergangen», so Jimenez-Martinez. Das zeigt, wie drängend das Thema ist.