sonRAIL Modellbeschrieb

Das akustische Gesamtmodell zur Berechnung der Lärmimmissionen aus Schienenwegen unterteilt sich in ein Emissionsmodell und ein Ausbreitungsmodell. Das Emissionsmodell ermöglicht die Beschreibung von Geräuschquellen am System Fahrzeug-Fahrweg, das Ausbreitungsmodell berücksichtigt alle relevanten Einflussparameter der Schallausbreitung. Beide Modelle wurden in Terzbändern von 100 Hz bis 8 kHz formuliert.

Das Ausbreitungsmodell kann vollständig unabhängig vom Emissionsmodell betrieben werden. Lediglich die Lage der einzelnen Streckenabschnitte muss bekannt sein. Als Resultat liefert das Ausbreitungsmodell Dämpfungsspektren. Die resultierenden Immissionspegel berechnen sich als einfache Subtraktion dieser Ausbreitungsdämpfungen von den Emissionen. Diese klare Trennung der beiden Modellteile erlaubt es die zeitaufwändige Ausbreitungsrechnung als separaten Schritt durchzuführen. Änderungen, welche nur die Emissionen betreffen, wie z.B. Veränderungen am Fahrzeugmix, an den Geschwindigkeiten oder den Schienenrauhigkeiten können so in ihren Auswirkungen praktisch auf Knopfdruck beurteilt werden.

Emissionsmodell

Das Emissionsmodell beschreibt die Schallbstrahlung von Eisenbahnlärm bei Fahrt auf freier Strecke. Es liefert Schallleistungspegel pro Meter Gleisabschnitt für fünf vordefinierte Quellenhöhen entlang der Fahrzeugoberfläche in Abhängigkeit der Fahrzeugtypen und -eigenschaften, des Oberbaus und Schienenzustandes sowie der Betriebsbedingungen. Gleisabschnitte mit einheitlichen Eigenschaften, d.h. einheitlichem Oberbau, einheitlicher Schienenrauhigkeit, konstantem Fahrzeugmix (ohne Abzweigungen) und pro Zugsart konstanter Fahrgeschwindigkeit werden dabei zu Linienquellen zusammengefasst.

Das Emissionsmodell beschreibt die Rollgeräuschquelle auf der Basis der Rauhigkeitsspektren von Rad und Schiene. Mit Hilfe eines Filters zur Berücksichtigung der Grösse der Kontaktfläche von Rad und Schiene werden diese beiden Spektren zu einer effektiven Gesamtrauhigkeit kombiniert. Das abgestrahlte Rollgeräusch wird danach unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit und messtechnisch erfasster, typenabhängiger Transferfunktionen ermittelt. Die von Rad und Schiene abgestrahlten Rollgeräuschanteile werden dabei separat ausgewiesen und Quellenhöhen von 0.0 und 0.5 m über Schienenoberkante zugewiesen. Neben der Fahrt auf freier, gerader Strecke sind zusätzlich spezielle Ansätze für Weichen, verschiedene Brückentypen sowie Kurvenfahrten integriert. Für Antriebs- und Aggregatsgeräusche sowie aerodynamische Geräusche wurden basierend auf Messungen mit einer akustischen Kamera für verschiedene Zustände Emissionsspektren ermittelt. Diese wurden für vier Höhenstufen (0.5, 2.0, 3.0 und 4.0 m) ausgewertet und in Funktion der Geschwindigkeit in einer Datenbank abgelegt. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Zusammenstellung von Emissionspegeln wie sie mit dem sonRAIL-Modell ermittelt wurden.

Folgende Aspekte sind im sonRAIL Emissionsmodell nicht berücksichtigt: Personen- und Rangierbahnhöfe, Beschleunigungs- und Abbremsvorgänge, Bremsgeräusche sowie Kurvenkreischen. Für detailliertere Informationen sei auf die Publikation des sonRAIL-Emissionsmodells verwiesen.

https://www.empa.ch/documents/56129/103151/sonRAIL_Modellbeschrieb_G1.jpg/fa6c76ae-1102-4089-a155-9c13dfabe34d?t=1448518086000
Resultate des sonRAIL-Emissionsmodells in Funktion des Fahrzeugtyps, der Oberbaukonstruktion und der Schienenrauhigkeit. Dargestellt sind Vorbeifahrtspegel in 7.5 m Abstand für eine Geschwindigkeit von 80 km/h.
Ausbreitungsmodell

Das Schallausbreitungsmodell ist in vier Module unterteilt, die getrennt voneinander betrieben werden können. Das Berechnungsmodul ‘Basic’ wird für jede Ausbreitungsrechnung benötigt. In diesem Modul wird die Schallausbreitung zwischen Quelle und Empfänger in einem Vertikalschnitt unter der Annahme einer homogenen Atmosphäre berechnet. Die Berechnung der Luftdämpfung erfolgt gemäss ISO 9613-1. Das Bodeneffekt-Modell basiert auf einem Ansatz für Kugelwellenreflexionen an ebenem, homogenem Terrain. Mittels einer Fresnelzonen-Betrachtung wird das Modell für unebenes Gelände und wechselnde Bodeneigenschaften erweitert. Es berücksichtigt zusätzlich Kohärenzverluste zwischen Direktschall und Reflexion in Abhängigkeit der Frequenz und der Ausbreitungsdistanz. Für die Berechnung der Hinderniswirkung kann entweder der Ansatz gemäss ISO 9613-2 oder ein von A.D. Pierce entwickeltes Verfahren verwendet werden. Ebenfalls nach ISO 9613-2 wird eine allfällige Zusatzdämpfung für Vegetation (foliage attenuation) berechnet.

Im zweiten Modul werden meteorologische Effekte auf die Schallausbreitung berechnet. Als zusätzliche Eingangsdaten werden dazu vertikale Profile des Windes, der Temperatur und der Feuchte benötigt, welche zusätzlich je nach Untergrund variiert werden können. Zum einen wird auf diesem Weg der Wettereinfluss auf die Luftabsorption bestimmt. Zum anderen werden die resultierenden Schallgeschwindigkeitsprofile in einem Schallstrahl-Verfolgungs-Algorithmus eingesetzt, welcher Veränderungen bei den Hinderniswirkungen sowie die Ausbildung von akustischen Schattenzonen ermittelt. Die Pegelabnahme wird dabei aus geometrischen Parametern des Schallstrahles abgeleitet, welcher dem Empfänger am nächsten kommt.

https://www.empa.ch/documents/56129/103151/sonRAIL_Modellbeschrieb_G2.jpg/10dac49e-cfa0-4dab-b4fa-5261b50cba27?t=1448518086000
Bildung akustischer Schattenzonen. Der Schallstrahl, der dem Empfänger am nächsten kommt, ist hervorgehoben.

Das dritte und vierte Modul behandeln Pegelerhöhungen als Folge von Reflexionen. In Modul drei werden Reflexionen an Gebäuden und Schallschirmen bestimmt, wobei zwei separate Modelle, eines für kohärente, spiegelnde Reflexionen und eines für inkohärente, streuende Reflexionen zur Anwendung kommen. In Modul vier werden diffuse Reflexionen an Waldrändern und Felswänden berechnet.

Grundsätzlich erfolgt die Schallausbreitung unabhängig von der Art der Schallquelle. Entsprechend haben die Schallausbreitungsalgorithmen auch allgemeine Gültigkeit. Gleichwohl gibt es je nach Quellenart spezielle Herausforderungen, welche mit separaten Ansätzen behandelt werden müssen. In sonRAIL ist dies zum einen der Fall für die Schallausbreitung über Schotter, welche mit einem separat entwickelten Bodeneffektmodell behandelt wird. Zum anderen wurden Speziallösungen implementiert um die zusätzlichen Reflexionen von Eisenbahntunneln und Geländeeinschnitten zu berücksichtigen. Die nachfolgende Abbildung zeigt exemplarisch die Einfach- und Mehrfachreflexionen, welche sich in schallhart ausgeführten Troglagen ergeben.

Für detailliertere Informationen sei auf die Beschreibung des sonRAIL-Ausbreitungsmodells verwiesen.
https://www.empa.ch/documents/56129/103151/sonRAIL_Modellbeschrieb_G3.jpg/1823554e-de98-4312-a12c-fcf6f520314c?t=1448518086000
Schallausbreitung in reflektierend ausgeführten Troglagen. Als Schallquellen treten die Radbereiche des im Querschnitt dargestellten Fahrzeuges auf.
Genauigkeit

Im Rahmen der sonRAIL Projektentwicklung wurde die Genauigkeit des Emissionsmodelles und des Ausbreitungsmodelles separat ermittelt (siehe sonRAIL-Projektdokumentation). Die Unsicherheitsbetrachtung geht dabei von der Annahme aus, dass alle relevanten Einflussgrössen soweit bekannt sind, wie dies unter realen Bedingungen der Fall sein kann. Gleichzeitig wird von einer Mittelung über eine grössere Zahl von Einzelereignissen ausgegangen, entsprechend der Ermittlung von Beurteilungspegeln, welche in der Regel auf Langzeitmittelwerten basieren. Da die Teilunsicherheiten des Emissions- und des Ausbreitungsmodells als unabhängig angesehen werden können, ist es zulässig, die beiden Terme nach den Regeln der Fehlerfortpflanzung zu addieren. Basierend auf Vergleichen von Messungen und Berechnungen in 7.5 m Abstand von der Gleismitte gemäss ISO 3095 wurde für das Emissionsmodell eine Standardabweichung von 0.4 dB(A) bestimmt. Für das Ausbreitungsmodell wurde eine Unsicherheit identifiziert, welche sich proportional zur Gesamtausbreitungsdämpfung verhält. Relativ zu einem Emissionspegel in einem Meter Abstand von der Gleisachse wurde eine Standardabweichung der Ausbreitungsrechnung ermittelt, welche 5% der Ausbreitungsdämpfung entspricht. Die nachfolgende Abbildung zeigt für vier Immissionspegel von 45 bis 60 dB(A) Leq die resultierenden Genauigkeiten des Modells. Je höher die Emissionen, umso grösser ist der Abstand zur Gleisachse bei welcher ein vorgegebener Immissionspegel erreicht wird und umso grösser ist die Unsicherheit der Immissionsprognose. Für typische Emissionen vielbefahrener Strecken resultieren im Bereich der Schweizerischen Immissionsgrenzwerte Modellunsicherheiten im Sinne einer Standardabweichung von kleiner-gleich 2 dB(A).

https://www.empa.ch/documents/56129/103151/sonRAIL_Modellbeschrieb_G4.jpg/bc504b59-d635-418f-b900-d4d89b5132cf?t=1448518087000
Gesamtunsicherheit des sonRAIL-Modells, dargestellt für Mittelungspegel von 45 bis 60 dB(A). Die Gesamtunsicherheit setzt sich aus einer konstanten Unsicherheit des Emissionsmodells und einer von der Ausbreitungsdämpfung abhängigen Unsicherheit des Ausbreitungsmodells zusammen.