Überwachung von Treibhausgasemissionen
Mit Satelliten und KI gegen den Klimawandel
Wie sich mittels Künstlicher Intelligenz (KI) die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweiz reduzieren lassen, zeigt eine neue Studie der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW). Die beteiligten Experten setzen grosse Hoffnungen in satellitengestützte Erdbeobachtungen und KI-Modelle. Diese könnten laut Empa-Forscher Gerrit Kuhlmann, einer der Co-Autoren der Studie, die Verursacher von Treibhausgasemissionen rasch ausfindig machen.
![https://www.empa.ch/documents/56164/31642589/Sattelit-AdobeStock-Web.jpg/60324918-2f97-1ab5-5e09-79d4e89dadef?t=1721654493559](https://www.empa.ch/documents/56164/31642589/Sattelit-AdobeStock-Web.jpg/60324918-2f97-1ab5-5e09-79d4e89dadef?t=1721654493559)
Das Übereinkommen von Paris verpflichtet die beteiligten Länder ihre Treibhausgasemissionen zu rapportieren, um den weltweiten Fortschritt auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel zu ermitteln. Derzeit basiert die Emissionsberichterstattung jedoch hauptsächlich auf Emissionsinventaren, die aus sozioökonomischen Statistiken zu Aktivitäten und Emissionsfaktoren berechnet werden. Zudem erweist sich das Erstellen der Daten als ressourcenintensiv, zeitaufwändig und ist mit vielen Unsicherheiten verbunden – und daher unzureichend, um politische Massnahmen zeitnah zu bewerten. Empa-Forscher Gerrit Kuhlmann erläutert deshalb in einer Fallstudie im neuen «White Paper» der SATW, wie Künstliche Intelligenz (KI) kombiniert mit neuen Erdbeobachtungsdaten und Erdsystemmodellen zur effizienten Überwachung von Treibhausgasemissionen genutzt werden könnte. Ziel der SATW-Studie war es aufzuzeigen, wie neue Technologien die negativen Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz reduzieren und Gesellschaft und Wirtschaft widerstandsfähiger machen können.
Grossemittenten schneller aufspüren
Ein globales System für die Messungen von Treibhausgasemissionen wird ein wichtiges Instrument zur Kontrolle des Fortschritts zu einer Netto-Null-Gesellschaft sein. Daher werden zurzeit Beobachtungssysteme entwickelt, die präzise, zuverlässige und weltweite Echtzeit-Informationen zu den anthropogenen Treibhausgasemissionen bereitstellen können. Diese Systeme nutzen luft-, satelliten- und bodengestützte Messungen. Modelle analysieren die Daten und berechnen die Emissionen von Länder, Kraftwerken und Industrieanlagen. «KI spielt für globale Systeme eine wichtige Rolle, da sie es ermöglicht, grosse Datenmengen zeitnah und präzise zu verarbeiten», so Empa-Forscher Kuhlmann. «KI-gestützte Algorithmen können verwendet werden, um globale Karten von CO2- und Methanemissionen zu erstellen. Damit lassen sich beispielsweise Emissionshotspots identifizieren oder der CO2-Fussabdruck von Produkten besser abschätzen.» Mit diesen Daten könnten künftig die grossen Verursacher rasch entdeckt und deren Treibhausgasemissionen bestimmt werden.
Zugang zu Forschungsprogrammen ist entscheidend
Die an der SATW-Studie beteiligten Experten setzen grosse Hoffnungen in die neuesten Entwicklungen rund um KI und satellitengestützte Erdbeobachtungen, um die klimatischen Herausforderungen zu meistern. Damit das Potenzial von KI umfassend genutzt werden kann, haben die Studienautoren auch Empfehlungen an Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung, Hochschulen und Förderinstitutionen sowie Unternehmen formuliert. Beispielsweise sollten die KI-Fähigkeiten und das Fachwissen nationaler Kompetenzzentren im Bereich Klima und Nachhaltigkeit gestärkt und der Zugang zu internationalen Forschungsprogrammen wie diejenigen der EU sichergestellt werden.
Die Entwicklung der Modelle für ein globales Überwachungssystem für Treibhausgase erfordert laut Kuhlmann Zugang zu globalen Erdbeobachtungsdaten. «Der Zugang zu den Diensten des europäischen Copernicus-Programms ist für die Schweiz von entscheidender Bedeutung, um weiterhin in diesem Bereich forschen zu können.» Denn das Erdbeobachtungsprogramm der EU ist führend bei Beobachtungssystemen für Treibhausgase – vor allem mit der kommenden Erweiterung der Erdbeobachtungssatelliten mit Satelliten zur CO2- und Methanmessung sowie dem europäischen CO2-Überwachungs- und Verifizierungssystem. Diese Entwicklungen werden insbesondere im Rahmen von internationalen Forschungsprogrammen wie «Horizon Europe» vorangetrieben, weshalb eine möglichst vollständige Beteiligung für Schweizer Forschende von zentraler Bedeutung ist.
SATW-Studie zu KI und Klimawandel
Der Klimawandel hat weltweit negative Auswirkungen – und die Schweiz ist besonders davon betroffen. Über 70 Fachleute und Forschende aus 30 renommierten Schweizer Hochschulen, Behörden und Industrieunternehmen wollten herauszufinden, wie neue Schlüsseltechniken und Methoden unsere Gesellschaft und Wirtschaft widerstandsfähiger machen können. Das Resultat ist eine umfangreiche Studie (White Paper) sowie eine Zusammenfassung (Factsheet). Empa-Forscher Gerrit Kuhlmann zeigt darin mit einer Fallstudie auf, wie KI kombiniert mit neuen Erdbeobachtungsdaten und Erdsystemmodellen zur effizienten Überwachung von Treibhausgasemissionen genutzt werden könnte. In Zusammenhang mit den Aktivitäten im Rahmen ihrer Fokusthemen Künstliche Intelligenz sowie Energie und Umwelt fördert die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) KI-Projekte und identifiziert Technologien, die für die Klimaneutralität und die Versorgungssicherheit von Bedeutung sind.
PD Dr. Gerrit Kuhlmann
Abteilung Luftfremdstoffe / Umwelttechnik
Tel. +41 58 765 47 53
gerrit.kuhlmann@empa.ch
Manuel Martin
Kommunikation
Tel. +41 58 765 44 54
redaktion@empa.ch
SATW White Paper und Factsheet: Wie sich das Potenzial von KI nutzen lässt, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweiz zu reduzieren
«Bright Minds» – Spezial Livestream zu «Mining the Atmosphere»
Warum negative CO2-Emissionen bitter nötig sind? «Bright Minds» gibt Antworten
Um dem Klimawandel wirkungsvoll und möglichst rasch entgegenzuwirken, sind technische Lösungen unabdingbar. Mit ihrer gross angelegten Forschungsinitiative «Mining the Atmosphere» schlägt die Empa nichts weniger als einen Paradigmenwechsel vor: von einer CO2-emittierenden zu einer CO2-bindenden Gesellschaft, die das Klimagas als wertvollen Rohstoff nutzt. Im Livestream am 25. April 2024 beleuchten Peter Richner und Nathalie Casas Herausforderungen, Lösungen und den Stellenwert der «atmosphärischen Mine» für Industrie und Gesellschaft.
Um die Klimaerwärmung zu bekämpfen, haben sich zahlreiche Staaten inklusive der Schweiz das Ziel gesetzt, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto Null zu senken. Dies kann indes nur ein Zwischenziel sein – denn längerfristig braucht es einen gesamtheitlicheren Lösungsansatz, mit dem sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre aktiv senken lässt. Mit «Mining the Atmosphere» hat sich die Empa zum Ziel gesetzt, das vom Menschen verursachte überschüssige CO2 der Atmosphäre wieder zu entziehen und es als Ausgangsmaterial für kohlenstoffhaltige Materialien zu nutzen. So soll ein neues globales Wirtschaftsmodell und die dazugehörigen Industriesektoren entstehen, die CO2 als Rohstoff der Zukunft in wertschöpfende Materialien umwandelt, um herkömmliche Baustoffe und Petrochemikalien zu ersetzen.
Das eingefangene atmosphärische CO2 kann mit Hilfe von Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden und so fossile Rohstoffe, aber auch andere Werkstoffe ersetzen. Einfach ausgedrückt: Wir können das atmosphärische CO2 «aufwerten», indem wir das Klimagas als Ausgangsmaterial für eine breite Palette kohlenstoffhaltiger Materialien nutzen – von Kerosin über Polymere und Arzneimittel bis hin zu Bitumen für den Asphalt in unseren Strassen.
Natürlich ist die Wirkung auf das Klima dann am grössten, wenn die kohlenstoffhaltigen Materialien und die daraus entstehenden Produkte gesamthaft Milliarden von Tonnen Kohlenstoff binden könnten – Materialien also, die in sehr grossen Mengen umgesetzt werden. Deshalb liegt der Fokus in einer ersten Phase von «Mining the Atmosphere» auf Baumaterialien, etwa Zuschlagstoffe auf Kohlenstoffbasis für Beton und Asphalt sowie Wärmedämmstoffe. So wird die neue NEST-Einheit «Beyond Zero» verschiedenste CO2-negative Innovationen enthalten, um zu demonstrieren, ob und wie Gebäude als langfristige Kohlenstoffsenken wirken können.
Ein langer Weg – den wir schon heute in Angriff nehmen sollten
Selbstverständlich ist der «Mining the Atmosphere»-Ansatz enorm energieintensiv; er verspricht daher nur dann nachhaltige Lösungen, wenn uns die Energiewende hin zu Erneuerbaren vollumfänglich gelingt. Sprich: Er ist der zweite Schritt auf dem Weg in eine wahrlich nachhaltige Zukunft. Doch die Umwandlung von CO2 zu kurz- und längerkettigen Kohlenwasserstoffen ist nicht nur energetisch, sondern auch chemisch beziehungsweise katalytisch äusserst anspruchsvoll. Forschende der Empa entwickeln daher unter anderem neue katalytische Prozesse und Katalysatormaterialien, die für die verschiedenen chemischen Umwandlungsreaktionen benötigt werden, sowie innovative Energietechnologien und neuartige kohlenstoffhaltige Baumaterialien.
Über Bright Minds
Die Video- und Livestream-Serie präsentiert die hellen Köpfe, die an der Empa faszinierende Innovationen entstehen lassen – mit dem Ziel, das Leben und die Welt von morgen nachhaltiger zu machen.
Erfahren Sie am 25. April 2024 in einer «Special Edition» von «Bright Minds» mehr über dieses faszinierende Konzept, die Projekte und die Köpfe dahinter. Nehmen Sie an der Diskussion teil und senden Sie Ihre Fragen im Voraus an . Wir freuen uns darauf, Sie online zu «sehen»!
Amanda Caracas
Kommunikation
Tel. +41 58 765 60 59
amanda.caracas@empa.ch
Bright Minds Webseite
Aktuelle Ausgabe Empa Quartely mit Fokus auf «Mining the Atmosphere»
Neue NEST-Unit «Beyond Zero»
Editorial Empa Quarterly #84
Die Weichen gemeinsam stellen
Energiemangel, Klimakrise, Abfallberge einer- – schwindende Ressourcen andererseits, alternde Gesellschaft: komplexe Herausforderungen, die vor uns liegen. Die Forschung kann (und muss!) ihren Teil dazu beitragen und neue technologische Ansätze erarbeiten, etwa für eine nachhaltige, sichere Energieversorgung oder eine kreislauffähige Wirtschaft.
Ob diese auf breite gesellschaftliche Akzeptanz stossen, steht freilich auf einem anderen Blatt. Dabei geht es im Kern um die Frage: Welche Nachteile sind wir bereit zu akzeptieren, um uns bestimmte Vorteile zu "erkaufen"? Und seien dies auch "nur" Verhaltensänderungen oder hohe Kosten, wie sie zugegebenermassen etwa beim Reinigen der Atmosphäre vom menschengemachten CO2 gemäss der neuen Empa-Initiative "Mining the Atmosphere" anfallen. Denn Letztere sind nichts Anderes als unsere nicht bezahlten "Recyclinggebühren", wenn wir das CO2 beim Verbrennen fossiler Energieträger in die Luft blasen.
Dieser Diskurs muss alle gesellschaftlichen Akteure einschliessen, also transdiziplinär sein, und darf keinesfalls nur innerhalb der naturwissenschaftlich-technologischen Blase verlaufen. Das hat uns die Pandemie deutlich vor Augen geführt.
Dafür ist ein vertrauensvoller und offener Dialog notwendig. Eine Gelegenheit dazu bietet unser Tag der offenen Tür Mitte September auf dem neuen Forschungscampus "co-operate". Die aktuelle Quarterly-Ausgabe gibt einen ersten Vorgeschmack. An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit engagieren wir uns derzeit auch mit unseren Partnerinstitutionen im ETH-Bereich im Rahmen des Projekts "Energy Science for Tomorrow" am Verkehrshaus in Luzern.
Es würde mich freuen, den Einen oder die Andere persönlich zu treffen und mit Ihnen zu diskutieren.
Michael Hagmann
Leiter Empa-Kommunikation
Tag der offenen Tür
Am 14. September 2024 öffnet die Empa Dübendorf ihre Labortüren für die Öffentlichkeit. An über 70 Posten erleben Besucherinnen und Besucher live aktuelle Empa-Forschung zu Themen wie Klimawandel, Energiewende, Gesundheit für Mensch und Umwelt und noch mehr. Die Geschichten in dieser Ausgabe geben einen kleinen Vorgeschmack auf die Vielfalt der Materialien und Technologien, die in den Laboren der Empa entdeckt, erforscht und entwickelt werden. Lust auf mehr? Besuchen Sie uns am 14. September!
Lesen Sie die Ausgabe des EmpaQuarterly online oder laden Sie das Heft als PDF herunter.
Die singende Teslaspule
Musik unter Hochspannung
Eine Teslaspule, die nicht nur Blitze, sondern auch Musik macht? Kein Problem für Silvio Müller und Yanis Strüby, die eine Lehre als Physiklaboranten an der Empa machen. Mit ihrer singenden Teslaspule gewannen sie sowohl den Jury- als auch den Teilnehmerpreis am Lehrlingswettbewerb Züri-Oberland.
![https://www.empa.ch/documents/56164/31600650/EQ84-Tesla-stopper.jpg/9128afe4-ac57-5e8f-bbb6-61165c08a6c7?t=1720707275162](https://www.empa.ch/documents/56164/31600650/EQ84-Tesla-stopper.jpg/9128afe4-ac57-5e8f-bbb6-61165c08a6c7?t=1720707275162)
Teslaspulen faszinieren. Diese elektrischen Transformatoren erzeugen eine Hochspannung – samt Blitzen und Ozongeruch. Aufgrund der geringen Leistung bleibt die Lichtshow aber meist ungefährlich, was Teslaspulen zu Publikumsmagneten in naturwissenschaftlichen Museen und Shows macht.
Diese Faszination spürten auch Yanis Strüby und Silvio Müller, Physiklaboranten-Lernende an der Empa im dritten Lehrjahr. Sie beschlossen, für den Lehrlingswettbewerb Züri-Oberland (LWZO) eine Teslaspule zu bauen. Blitze allein genügten den Empa-Lernenden allerdings nicht; ihre Spule sollte auch noch Musik abspielen. Damit überzeugten sie vergangenen November am LWZO in Wetzikon nicht nur die Expertinnen und Experten, sondern auch die anderen Lernenden – und gewannen sowohl den Jury- als auch den Teilnehmerpreis.
High-Tech und Handarbeit
Der Weg dorthin war alles andere als einfach. Das Projekt musste recherchiert, geplant, berechnet, hergestellt und getestet werden. Die eigentliche Spule wickelten die Lernenden von Hand: fast 2000 Windungen, insgesamt rund 350 Meter Kupferdraht. «Wir mussten sehr vorsichtig sein, denn der Draht war sehr dünn, und er durfte nicht reissen», erinnert sich Müller. «Das war unser erstes grosses eigenes Projekt und sicher auch eine Geduldprobe», ergänzt Strüby. «Aber wir haben es geschafft – und wir haben gelernt, dass wir auch unter Druck sehr gut zusammenarbeiten.»
Ihr Berufsbildner Dominik Bachmann, Forschungsingenieur im Empa-Labor «Transport at Nanoscale Interfaces», ermutigte die Lernenden, beim LWZO mitzumachen – die Idee mit der singenden Teslaspule, so betont Bachmann, kam aber von ihnen selbst. «Zeitweise musste ich mich selbst zuerst einlesen, um ihre Fragen beantworten zu können», schmunzelt er.
Auch die Oberstifte waren eine Inspiration: Sofie Gnannt und Nick Cáceres gewannen im Vorjahr ebenfalls am LWZO und an weiteren Wettbewerben. «Für die Lernenden sind diese Wettbewerbe eine coole Erfahrung – und eine gute Vorbereitung für die individuelle praktische Arbeit zum Lehrabschluss», sagt Bachmann. Strüby und Müller genossen auch den Austausch mit Lernenden aus unterschiedlichen Berufen. Ihren Unterstiften haben sie die Teilnahme am Wettbewerb bereits wärmstens empfohlen.
Mit Teamwork und Unterstützung zum Erfolg
Anna Ettlin
Kommunikation
Tel. +41 58 765 4733
redaktion@empa.ch
Tag der offenen Tür
Am 14. September 2024 öffnet die Empa Dübendorf ihre Labortüren für die Öffentlichkeit. An über 70 Posten erleben Besucherinnen und Besucher live aktuelle Empa-Forschung zu Themen wie Klimawandel, Energiewende, Gesundheit für Mensch und Umwelt und noch mehr. Die Geschichten in dieser Ausgabe geben einen kleinen Vorgeschmack auf die Vielfalt der Materialien und Technologien, die in den Laboren der Empa entdeckt, erforscht und entwickelt werden. Lust auf mehr? Besuchen Sie uns am 14. September!
Lesen Sie die Ausgabe des EmpaQuarterly online oder laden Sie das Heft als PDF herunter.