«Eureca» im Röntgenzentrum der Empa

Satellit auf Herz und Nieren untersucht

09.08.2016 | RAINER KLOSE
Der weit gereiste europäische Forschungssatellit «Eureca» wurde diese Woche vom Verkehrshaus der Schweiz in Luzern via Sattelschlepper an die Empa gebracht. Hier wird der Satellit, der 1992 knapp ein Jahr im Weltraum verbrachte und seit dem Jahr 2000 im Verkehrshaus ausgestellt ist, wissenschaftlich untersucht. Dabei geht es darum, Materialveränderungen durch die Extrembedingungen im Weltall zu analysieren.
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Der Weltraumeinsatz des Satelliten Eureca begann am 2. August 1992. Der Schweizer Astronaut Claude Nicollier setzte den 4,4 Tonnen schweren Brocken von der Raumfähre Atlantis aus im Orbit ab. Er blieb dort bis zum 24. Juni 1993 und wurde von der Raumfähre Endeavour wieder eingefangen. (Bild: NASA/ESA)
Mit Claude Nicollier im All

Die aufregende Reise von Eureca («European Retrievable Carrier») begann am 31. Juli 1992 mit dem Start ins All im Bauch des Space Shuttles «Atlantis». Der Satellit wurde mit dem Ziel gebaut, mehr über die Einflüsse einer sehr geringen Erdanziehung, der so genannten Mikrogravität, zu erfahren. Um den «Schrott» im Weltall und die Baukosten zur verringern, setzte die ESA auf einen wiederverwendbaren Satelliten.

Mit an Bord des Space Shuttles befand sich damals auch der Schweizer Astronaut Claude Nicollier, der zuständig für das Aussetzen der delikaten Fracht war. Ausgerüstet mit rund 70 verschiedene Experimenten, umkreiste Eureca fast ein Jahr lang (von Juli 1992 bis Juni 1993) die Erde mit einer Geschwindigkeit von 28'000 km/h und machte dabei wissenschaftliche Messungen. Mit Eureca wurden zum Beispiel wichtige Erkenntnisse über den Einfluss des Weltraumes auf Materialien und Organismen gewonnen sowie neue Weltraumtechnologien getestet. Die Schweiz war mit Technologien der Contraves AG (heute Ruag Space) sowie einem Experiment vertreten, das unter der Leitung des Physikalisch-Meteorologischen Observatoriums Davos entwickelt und gebaut wurde. Der Space Shuttle «Endeavour» fing den Satelliten nach vollendeter Mission dann wieder ein. Eureca ist damit ein seltenes Beispiel eines unbemannten Raumfahrzeugs, das intakt auf die Erde zurückgekehrt ist.

Zurück in Bremen, wo der Satellit hergestellt worden war, sollte er für die zweite von insgesamt fünf geplanten Missionen bereitgemacht werden. Aus Kostengründen kamen diese Flüge indes nie zustande, und Eureca wurde stillgelegt. Als das Verkehrshaus um die Jahrtausendwende bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) nach einem attraktiven Exponat nachfragte, genehmigten deren Mitgliedsstaaten eine Schenkung von Eureca an das Luzerner Museum. Im November 2000 wurde Eureca an der Decke der Halle für Luft- und Raumfahrt aufgehängt.

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Am 9. August 2016 wurde der Satellit am Röntgenhaus der Empa angeliefert. Die Röntgenaufnahmen starten noch in dieser Woche und sollen rund 14 Tage dauern. (Bild: Empa)
Röntgenanalysen an der Empa

Der Satellit hat am 9. August das Verkehrshaus verlassen, um am Röntgenzentrum der Empa in Dübendorf untersucht zu werden. Die Materialien, aus denen Eureca besteht, waren im Weltraum extremen Bedingungen wie starken Temperaturschwankungen, kosmischer Strahlung, Kleinstpartikeln und Mikrogravität ausgesetzt. Eine spezielle Röntgenanlage der Empa nutzt Strahlung mit sehr hoher Energie und ermöglicht dadurch besonders detaillierte Analysen. Nur an der Empa ist es möglich, den drei Tonnen schweren und 4x3 Meter grossen Satelliten als Ganzes zu durchleuchten und dessen Inneres zu erforschen. Neben der Hauptstruktur des Satelliten wird sich die Empa auch mit einzelnen Eureca-Experimenten beschäftigen und die Materialveränderungen, die durch den einjährigen Aufenthalt im All hervorgerufen worden sind, genauestens untersuchen, unter anderem durch neue 3D-bildgebende Algorithmen, die von den Empa-Forscherinnen und -Forscher entwickelt wurden. Der Eureca-Satellit stellt hierfür ein ideales Studienobjekt dar. Die Idee für die Röntgenanalysen entstand während einer Diskussion zwischen dem Team des Empa-Röntgenzentrums mit dem Swiss Space Center (SSC), das als Projektkoordinator und Bindeglied zum Verkehrshaus fungiert.

Aus Platzgründen war es im Jahr 2000 nicht möglich, die beiden Solarpanels des Satelliten vollständig auszufahren. In der neuen Raumfahrtausstellung, die am 25. November 2016 beginnt, erhält der Satellit einen prominenten Platz, der seiner einzigartigen Bedeutung besser gerecht wird. Am neuen Ort kann Eureca seine volle Pracht mit einer Spannweite der Solarpanels von rund 20 Metern entfalten. Die Besucherinnen und Besucher des Verkehrshauses werden ausserdem attraktiv aufbereitete Empa-Bilder vom Innenleben des Satelliten zu sehen bekommen.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, am 10. September 2016 über die Zukunft der europäischen Raumfahrt zu diskutieren. Das SSC organisiert im Auftrag des Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) und der ESA eine öffentliche Debatte im Verkehrshaus. Mehr Informationen unter citizensdebate.space

Hintergrundinformationen finden Sie auf https://blogs.ethz.ch/eureca/

Informationen

Dr. Antonia Neels
Empa
Zentrum für Röntgenanalytik
Tel. +41 58 765 7791

 

Redaktion / Medienkontakt

Rainer Klose
Empa
Kommunikation
Tel. +41 58 765 47 33

Oliver Burger
Verkehrshaus der Schweiz
Kommunikation
Tel. +41 41 375 74 72

 

ESA-Bericht (Nov 1994)
Damage assessment of Eureca’s surfaces