Swiss Texnet «Innovation Day 2012» an der Empa

Achtung: Störfaktoren können zu Innovationen führen!

11.09.2012 | REMIGIUS NIDERÖST
Wie gezielt Innovationen schaffen? Um diese Frage drehte sich der diesjährige «Innovation Day» von Swiss Texnet, dem textilen Innovationsnetzwerk der Schweiz, der an der Empa stattfand.
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Kompressionswäsche der Marke «X-Bionic» wurde am Innovation Day attraktiv vorgeführt. (Foto: Swiss Texnet)
 
«Design und Innovation dank neuer Technologien» – dieses Motto lockte am 30. August 2012 rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Textilbranche nach Dübendorf an die Empa.
 
Vielleicht versprachen sie sich von Elmar Mock, dem «Stargast» der Tagung, ein Rezept dafür, wie sie mit innovativen Ideen ihre Produkte am Markt besser verkaufen können? Mock ist der Erfinder der Swatch, jener Plastikuhr, die der Schweizer Uhrenindustrie vor rund 30 Jahren ein zweites Leben eingehaucht hat.
 
Ein Rezept konnte Mock, der heute mit seiner Agentur Creaholic SA Kunden bei der Produktentwicklung behilflich ist, natürlich keines geben; doch immerhin ein paar Hinweise, wie erfolgreiche Innovationen entstehen. So müsse der Markt etwas erhalten, von dem er selber noch nicht weiss, dass er es braucht. Ausserdem brauche es «Störfaktoren». Auch eine Auster schaffe nur dann eine Perle, wenn ein Sandkorn ihr Behagen störe.
 

 
  Elmar Mock, Erfinder der Swatch, gab am Innovation Day Tipps, wie aus «Störfaktoren» erfolgreiche Innovationen entstehen. (Bild: Swiss Texnet)
 

 

Patrick Lambertz von X-Technology Swiss R&D AG musste ebenfalls eingestehen, dass er kein Patentrezept habe, wie ein Unternehmen Innovationen hervorbringt. Innovationen entstehen laut Lambertz durch Widerspruch, Reibung, Querdenken. Bahnbrechende Innovationen könnten nicht geplant werden, daher sind Pläne bei X-Technology tabu. Die Mitarbeitenden des Schweizer Think Tanks, der Produkte und Marken für die Industrie entwickelt, dürfen sich nicht mit Durchschnittlichem zufrieden geben, keine «me too»-Produkte entwickeln. «Was es schon gibt, das machen wir nicht», so Lambertz. Jedenfalls nicht das, was es schon auf dem Markt gibt, denn für die Eigenmarke «X-Bionic» schaut sich Lambertz gerne bei der Natur um. Und entwickelt etwa spezielle Arbeits- und Sportbekleidung.


Hightech-Goldbeschichtung für Fashion-Textilien
«Goldgarne sind nichts Neues, die gab es schon im Mittelalter», stellte Martin Amberg von der Empa-Abteilung «Advanced Fibers» fest. Aber erst modernste Technologien wie die Plasmabeschichtung machen es möglich, Polymerfasern hauchdünn mit dem Edelmetall zu beschichten. Bis vor kurzem wurden die Fasern mit Folien ummantelt, was einerseits eine relativ grosse Menge des teuren Materials verbrauchte, andererseits die Textilien «kratzig» machte. In einem von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) unterstützten Projekt gelang es der Empa und der St. Galler Jakob Schläpfer AG, goldbeschichtete Stoffe zu produzieren und diese zu Krawatten und Einstecktüchern zu verarbeiten. Dank der nur rund 100 Nanometer dünnen Schicht auf der Faser fühlt sich das Textil natürlich an und kratzt nicht. Als Beschichtungsmaterial eignen sich neben Gold auch Platin, Silber und andere edle Metalle.

Martin Leuthold von der Jakob Schläpfer AG konnte weitere exklusive Muster präsentieren wie vergoldete St. Galler Stickereien, hergestellt als Zierelemente für die Uniformen der Mitglieder der Académie Française. Auf die Frage nach dem Preis solcher Kreationen sagte Leuthold: «Die Stoffe können Sie mit Gold aufwiegen». Nur gut, dass die Stoffe federleicht sind!

 

 
  Die vergoldeten Stoffe und St. Galler Stickereien der Jakob Schläpfer AG fanden reges Interesse.  (Bild: Swiss Texnet)
 

 

Elektrospinnverfahren ermöglicht Nanogewebe
Auch die Schweizerische Textilfachschule befasst sich mit innovativen Produktentwicklungen, macht Grundlagenforschung, optimiert Technologien und wirkt als Bindeglied zwischen Forschung und Industrie. Susanne Noller und Rosi Schnetz stellten «Welding und Bonding» als innovative Technologie zur Nahtgestaltung von Textilien vor. Damit wird etwa, dank komplett geschweissten Nähten, absolut regendichte Outdoor-Bekleidung möglich.

Christian Adlhart von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Michal Vanicek von der tschechischen Firma Elmarco präsentierten das bereits 1902 patentierte und inzwischen perfektionierte Elektrospinnverfahren. Damit lassen sie aus verschiedensten Materialien Fasern von nur wenigen Nanometern entstehen, die zu Nanogeweben verarbeitet werden. Dank Porengrössen im Bereich von nur 100 Nanometern eignen sich solche Gewebe beispielsweise als Luftfilter. Und da Luft durch die feinsten Poren kaum mehr zirkulieren kann, isolieren selbst dünne Nanogewebe besser als der dickste Pullover. Durch die enorme Faseroberfläche eignen sich Nanogewebe aber auch gut für katalytische Beschichtungen, etwa für selbstreinigende Stoffe.

Leuchtende Textilien und textile Pavillons
Wie eine Idee in den letzten zwei Jahren erfolgreich umgesetzt wurde, legte Alex Simeon von der Hochschule für Technik Rapperswil dar. Bereits 2010 hatte er am Innovation Day leuchtende Textilien vorgestellt, deren Fasern damals noch von Hand bearbeitet werden mussten, um sie zum Leuchten zu bringen. In der Zwischenzeit sind verschiedene geeignete maschinelle Bearbeitungsverfahren evaluiert und weiterentwickelt  worden. Diese nutzt der Industriepartner Weisbrod-Zürrer AG zur Produktion von Leuchttextilien, wie Oliver Weisbrod berichtete.

Eine Herausforderung der speziellen Art lösten Andrea Weber Marin und Tina Moor von der Hochschule Luzern. Sie sollten einen wiederverwendbaren, mobilen Event-Pavillon für 100 bis 400 Personen entwerfen. Die Designerinnen erweiterten die vorgegebenen technischen Anforderungen wie gute Isolierung sowohl im Sommer als im Winter, einfache Montage/Demontage, geringes Gewicht, leichter Transport usw. noch um einige Kriterien, die vor allem einen ästhetischen Mehrwert bringen. Heraus kam ein textiler Pavillon, der nicht nur technisch befriedigt, sondern auch Designansprüchen genügt. Oder wie sie es selbst formulierten: der eine «erhöhte Raumästhetik gegenüber einem Festzelt» aufweist und sich dank Ziehharmonika-Aufbau  in der Grösse den Anforderungen anpasst.

Vernetzung – wichtiger Bestandteil am Innovation Day
Der Innovation Day soll aber nicht nur Impulse geben und Ideen vermitteln. Ebenso wichtig ist das Networking. Dazu tragen die «Netzwerk-Corner» der Partner des Swiss Texnet bei. Diese Partner sind die Empa, die Hochschule für Technik Rapperswil, die Hochschule Luzern, die Zürcher Hochschulen für Angewandte Wissenschaft in Winterthur und Wädenswil, die Schweizerische Textilfachschule und der Textilverband Schweiz. Die regen Gespräche an den Ständen und in den Räumen der Empa-Akademie liessen vermuten, dass fleissig am Netzwerk gesponnen wurde.

 
 

 

 

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