Bromierte Flammschutzmittel verhindern wirksam Brände von
Kunststoffen und Textilien. Doch der Schutz wird mit
unerwünschten Nebenwirkungen erkauft: einige dieser
Industriechemikalien sind problematisch. Seit mehreren Jahren wird
daher in Europa auf ihre Verwendung weitgehend verzichtet. Dies hat
die Empa in Zusammenarbeit mit der EAWAG kürzlich anhand eines
Bohrkerns aus dem Greifensee bestätigt. Nach einem rasanten
Anstieg in den 1980er-Jahren sind die Mengen dieser
Flammschutzmittel seit 1995 wieder leicht rückläufig. Die
Empa deckte allerdings auch auf, dass die Konzentrationen eines
Ersatzproduktes bedenklich ansteigen.
Bromierte Flammschutzmittel werden nur sehr langsam abgebaut. In
Seen lagern sich die Stoffe Jahr für Jahr in den Sedimenten am
Grund ab und archivieren auf diese Weise ihre Geschichte. Im Jahr
2003 förderten Empa und EAWAG diese Geschichte zu Tage. Die
EAWAG stach einen etwa 150 cm langen Bohrkern aus dem Grund des
Greifensees und datierte die „Jahrringe“ des Kerns durch
Messungen des Isotops Cäsium 137. Das wurde beim sowjetischen
Atombombentest 1961/62 und bei der Explosion im Kernreaktor in
Tschernobyl 1987 in grossen Mengen freigesetzt und findet sich in
den entsprechenden Schichten des Kerns wieder.
In Scheiben geschnitten und gefriergetrocknet, gelangten die
obersten 42 cm des Bohrkerns schliesslich in die Labors der Empa.
Dort beschäftigen sich ForscherInnen intensiv mit bromierten
Flammschutzmitteln. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms
NFP 50 – Hormonaktive Stoffe, Bedeutung für Menschen,
Tiere und Ökosysteme – untersuchen sie deren
Umweltverhalten und entwickeln Methoden für den chemischen
Nachweis.
POPs – gefährliche Dauergifte
Die ForscherInnen lösten die Substanzen aus dem Sediment
heraus, reinigten sie und untersuchten drei Vertreter der
bromierten Flammschutzmittel, die sich durch die Anzahl der in
jedem Molekül enthaltenen Bromatome unterscheiden: PentaBDE
(fünf Bromatome), OctaBDE (acht Bromatome) und DecaBDE (zehn
Bromatome). PentaBDE und OctaBDE zählen zu den Dauergiften,
auch POPs (persistent organic pollutants) genannt. POPs sind
toxische Substanzen, die schwer abbaubar und bioakkumulierbar sind,
sich also in der Nahrungskette anreichern.
Auf PentaBDE und OctaBDE treffen diese Eigenschaften zu: Sie sind
hormonaktiv, beeinflussen den Hormonhaushalt und stehen im
Verdacht, die Entwicklung von Mensch und Tier zu stören. Sie
sind ausgesprochen langlebig; Wind- und Wasserströme
verfrachten sie weltweit, so dass sie sogar in den Eisbären
der Arktis zu finden sind. Und in der Nahrungskette werden sie von
kleinsten Organismen bis hin zu den Spitzenkonsumenten –
Menschen und Raubtiere – weitergereicht. DecaBDE ist dagegen
wahrscheinlich kein POP, da es nach bisherigen Erkenntnissen nicht
bioakkumulierbar ist. Zudem ist es ist weniger toxisch.
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