24. Wissenschaftsapéro

Ohne Brüche ins hohe Alter – Protektoren geben Sicherheit

10-giu-2005 | REMIGIUS NIDERÖST
Ein Fehltritt auf der Treppe, ein Ausrutscher im feuchten Badezimmer oder ein Stolpern über die Teppichkante –schon ist es geschehen. Der Mensch stürzt und vor allem ältere Personen brechen sich den Oberschenkelhals. Können mit Hüftprotektoren solche Brüche vermieden werden? Antwort darauf gab der Wissenschaftsapéro der Empa-Akademie in Dübendorf.
https://www.empa.ch/documents/56164/310388/a592-2005-06-09-b1m_h%C3%BCfte.jpg/3e8d13c2-35f3-42b8-bbee-1bc6fa4d8abb?t=1448300556000
 

Jedes Jahr stürzen in der Schweiz rund 70’000 Menschen im Alter über 65 Jahre. Etwa 10'000 erleiden dabei eine Hüftfraktur. Jede/r Fünfte verliert danach die Selbständigkeit und benötigt Betreuung in einem Pflegeheim. 500 SeniorInnen sterben sogar innerhalb eines Jahres an den Folgen der Fraktur. Mit diesen Zahlen illustrierte Martin Hugi von der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) die Auswirkungen eines Sturzes im Alter.
Da die Lebenserwartung stetig steigt, wird sich die Zahl der Stürze drastisch erhöhen. Das ist nicht nur ein soziales Problem, sondern auch ein volkwirtschaftliches; betragen doch die Folgekosten einer Hüftfraktur etwa 65'000 Franken. Die bfu entwickelte deswegen ein Programm zur Prävention von Oberschenkelhalsfrakturen. Dabei spielen Hüftprotektoren eine wichtige Rolle. Sie bestehen aus zwei harten Schalen, weichen Kunststoffkissen oder Kombinationen daraus, die in die Unterwäsche eingenäht oder in dafür vorgesehen Taschen gesteckt werden. Bei einem seitlichen Sturz dämpfen sie den Stoss und schützen dadurch die Knochen.

Im Fall eines Falles geschützt
Seit einigen Jahren ist eine Vielzahl an Hüftprotektoren auf dem Markt und nicht alle weisen dieselbe Schutzwirkung auf. Es wurde daher immer wichtiger, deren Wirksamkeit unter realitätsnahen Bedingungen untersuchen zu können. In Zusammenarbeit mit der bfu entwickelte die Empa daher ein anatomisch geformtes, mechanisches Hüftmodell (siehe Bild). „Mit dem Modell lässt sich die Schutzwirkung verschiedener Hüftprotektoren wissenschaftlich beurteilen“, so Adriaan Spierings von der Empa-Abteilung Schutz und Physiologie. Das Modell erlaubt die bei einem Sturz auf  die Hüfte wirkenden Kräfte direkt im Oberschenkelhals zu messen. Vergleiche mit echten Knochen zeigen, dass das künstliche Hüftmodell realitätsnahe Ergebnisse liefert.
In ersten Messserien untersuchte die Empa nun die Stossdämpfung von zehn verschiedenen Hüftprotektoren. Es zeigen sich deutliche Unterschiede. Nur drei Produkte erfüllen die Anforderungen des Empa-Tests – einer Schutzwirkung von etwa 80 Prozent für die betroffene Bevölkerungsgruppe – sowie die bfu-Anforderungen in Bezug auf den Tragekomfort. Sie sind seit kurzem mit dem bfu-Sicherheitszeichen ausgezeichnet. „Diese Protektoren verhindern zwar keinen Sturz, man fällt trotzdem um, aber sie retten einem das Leben“, bringt es Hugi von der bfu auf den Punkt „Ein Segen für die Menschheit“. Die Produktnamen sind bei der bfu erhältlich. 

Knochen – ein lebendes Organ
Warum aber brechen alte Knochen schneller? „Ein Knochen ist kein starres, hartes Gebilde, sondern ein lebendes Organ, das sich ständig auf- und abbaut“, erklärt Gerold Holzer, Professor der Medizinischen Universität Wien. Während in der Jugend der Knochenaufbau überwiegt, wird ab etwa dem 30sten Lebensjahr mehr abgebaut als aufgebaut. Die Knochendichte nimmt daher langsam ab und die Mikroarchitektur des Knochens verändert sich. Unterschreitet die Dichte einen Grenzwert, wird von Osteoporose gesprochen. Infolge dieser Skeletterkrankung halten die Knochen den normalen Belastungen nicht mehr stand und schon kleine Unachtsamkeiten können zu Knochenbrüchen führen. 

Autorin
Dr. Bärbel Zierl,  Tel. 044 823 49 09,

Kontakt
Adriaan B. Spierings, Tel. 071 274 77 76,


Was ist der Wissenschaftsapéro?
An den regelmässig stattfindenden Wissenschaftsapéros greift die Empa-Akademie fachlich und gesellschaftlich relevante Themen auf. Jeweils drei bis vier ReferentInnen aus Forschung, Politik und Wirtschaft präsentieren in ihren Vorträgen Ergebnisse und Absichten zu dem behandelten Thema. Anschliessend stehen sie auch den nicht mit dem Fach vertrauten Gästen entweder in der Diskussionsrunde oder beim Apéro Rede und Antwort.
Der nächste Wissenschaftsapéro findet statt am 29. August 2005 zum Thema
«Die Strasse – intelligente Partnerin im Verkehrsstress».
Ort: Empa, Dübendorf, Zeit: 16.30 Uhr. Es ist keine Anmeldung erforderlich.

 
 
Für die Medien
 
Osteoporose und Stürze im Alter

Osteoporose und Sturzprävention im Alter. Ein Public-Health-Ansatz. Autoren: Kurt Lippuner, Bern; Daniel Grob, Zürich; François Höpflinger, Zürich; Andreas Stuck, Bern und Markus Hubacher, bfu Bern. Eine Publikation des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Mehr Informationen hier