Der Trend zu immer mehr Computern hält an. Diese werden
nicht nur immer billiger und leistungsfähiger, ihre
Prozessoren werden auch immer kleiner und verstecken sich zunehmend
in Alltagsgegenständen. Wenn dies so weiter geht, wird es in
25 Jahren den «Computer-Staub» geben, so die Vision des
ersten Referenten am Wissenschaftsapéro, Prof. Dr.
Friedemann Mattern, vom Institut für Pervasive Computing der
ETH Zürich. Schon bald nämlich werden sich Prozessoren
massenhaft in mikroskopischer Grösse herstellen lassen. Sie
werden miteinander über Funk kommunizieren und Sensoren
enthalten zur Erfassung ihrer Umwelt. Unsichtbar in
gewöhnlichen Dingen eingebaut, machen sie diese
«schlau»: Sie tauschen untereinander Informationen aus
und wissen sogar, wo sie sich gerade befinden. Doch wie
«smart» dürfen Gegenstände werden? Eine
Technologie mit überall versteckten Computern kann dramatische
Folgen haben: Abhängigkeit entsteht, die Privatsphäre
leidet, der Stromverbrauch steigt, die Entsorgung wird zum
Problem.
Das Auto «denkt» schon heute
mit
Am Beispiel des Autos lässt sich sehr gut verdeutlichen, wie
Pervasive Computing fast unbemerkt Einzug gehalten hat in einen
unserer Gegenstände für den alltäglichen Gebrauch.
Dr. Reinhold Eberhardt von der DaimlerChrysler Telematikforschung
in Ulm zeigte dies sehr eindrücklich. In den Autos der
Premiumklasse sind heute schon bis zu siebzig
Computer-Steuerelemente verbaut, die miteinander vernetzt sind und
miteinander kommunizieren. Angefangen hat die Entwicklung beim Auto
in den 70er-Jahren mit der computergesteuerten Benzin-Einspritzung.
Weiter ging es dann mit der elektronischen Diagnose, mit dem
Anti-Blockiersystem ABS. Heute helfen ASR, ESP, Regensensor,
Parkhilfe usw. beim Fahren. Klimaanlage, Telefon,
Lautstärkeregelung etc. verbessern den Komfort. Auch die
Internetnutzung ist im Fahrzeug möglich. So können
Informationen über den Strassenzustand, die Verkehrslage,
für die Routenplanung und über die Wetterlage abgerufen
werden. In Zukunft wird die Anbindung ans Internet vermehrt noch
für die Ferndiagnose genutzt werden. Der finanzielle Aufwand
für die im Auto verbaute Software und Hardware kann durchaus
bis zu 40 Prozent des Fahrzeugpreises ausmachen.
Kommunikationsbasierte Systeme werden in einigen Jahren für
mehr Sicherheit im Strassenverkehr sorgen. Ein ausgelöster
Airbag könnte z.B. die nachfolgenden Fahrzeuge warnen.
Pervasive Computing macht im Fahrzeugbau durchaus Sinn, steht es
doch im Dienst der Sicherheit. So verringerten sich die
«Selbstunfälle» gemäss Eberhardt
beträchtlich, seit das Stabilitätsprogramm ESP (Stichwort
«Elchtest») praktisch in allen Neuwagen eingebaut
wird.
Die schlechte Prognose hat Vorrang
Prof.
Dr. Lorenz Hilty von der Empa präsentierte eine von seiner
Abteilung in Zusammenarbeit mit «TA-Swiss» erstellte
Studie zum Thema Pervasive Computing. Er erläuterte Chancen
und Risiken des Pervasive Computing anhand von Beispielen aus den
Lebensbereichen «Wohnen», «Arbeit» und
«Gesundheit». Für Hilty gilt es, bei der
Risikoabschätzung immer das Vorsorgeprinzip (Vorrang der
schlechtesten Prognose) und die Nachhaltigkeit zu beachten.
Im Wohnbereich verspricht der allgegenwärtige Einsatz von
Computern im «Smart Home» eine beträchtliche
Energieeinsparung. So heizt die Wohnung erst auf, wenn die
BewohnerInnen heimkommen. Bei der Hausarbeit kann ein
Kühlschrank, der Menüvorschläge aufgrund seines
Inhalts macht, die Hausarbeit erleichtern und dank Telearbeit
wachsen Arbeitsplatz und Heim zusammen. Auf der anderen Seite
ergeben sich Kompatibilitätsprobleme, die noch ungelöst
sind, es könnte ein Zwang zu Ersatzinvestitionen entstehen,
wenn ein Hersteller marktbeherrschend wäre.
Bei der Arbeit stehen Rationalisierung, Flexibilisierung,
Ortsunabhängigkeit, höhere Produktivität und weniger
Verkehr in Aussicht. Andererseits drohen höhere Anforderungen
und Leistungserwartungen. Paradox scheint, dass durch die
Ortsunabhängigkeit der Verkehr unter Umständen sogar
zunimmt statt abnimmt. Dieser Rebound-Effekt kann entstehen, wenn
die Arbeit im noch entfernteren Ferienhaus statt am Arbeitsplatz
oder zuhause erledigt wird.
«Health Monitoring», die ständige Überwachung
des Gesundheitszustandes einer Person, kann etwas Positives sein.
Chronisch Kranke erhalten damit mehr Autonomie, ÄrztInnen
erhalten bessere Gesundheitsdaten und eine schnellere Rettung wird
möglich. Aber bedeutet es nicht auch eine Entmündigung
der PatientInnen? Wie steht es mit dem Datenschutz?
Die Auswirkungen des Pervasive Computing auf die Umwelt sind nicht
generell positiv. Elektronikabfall ist bereits heute zu einem
weltweiten Problem herangewachsen. Durch die Verkleinerung der
schadstoffhaltigen Chips und die starke Zunahme ihrer Zahl wird es
immer schwieriger, diese von anderem Abfall oder verwertbaren
Materialien zu trennen und geordnet zu entsorgen.
Nach jedem Vortrag ergab sich Gelegenheit zu einigen Fragen, was
rege benutzt wurde. So interessierte es die Anwesenden etwa, ob die
miteinander kommunizierenden Systeme das Problem des Elektrosmog
noch verstärken werden. Eine Frage, die verneint wurde. Denn
die Dichte der Sender und Empfänger lässt geringere
Sendestärken zu als z.B. die heutigen Antennen der Handys und
Mobiltelefonanbieter.
Was ist der Wissenschaftsapéro?
An den regelmässig stattfindenden
Wissenschaftapéros greift die Empa-Akademie fachlich und
gesellschaftlich relevante Fragestellungen auf. Jeweils drei bis
vier ReferentInnen aus Forschung, Politik und Wirtschaft
präsentieren in ihren Vorträgen Ergebnisse und Absichten
zu dem behandelten Thema. Anschliessend stehen sie auch den nicht
mit dem Fach vertrauten Gästen entweder in der
Diskussionsrunde oder beim Apéro Rede und Antwort.
Der nächste Wissenschaftsapéro findet statt am 26.
April 2004 zum Thema «Auf den Zahn gefühlt:
Materialforschung an dentalen Implantaten». Ort: Empa,
Dübendorf, Zeit: 16.30. Es ist keine Anmeldung
erforderlich.
Rémy
Nideröst
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