«Nanotechnologie? Rasterelektronenmikroskop? Ehrlich
gesagt weiss ich nicht, was das ist!» Die
zwölfjährige Aline Hobi interessiert sich für Musik
und möchte später vielleicht Sängerin werden. Womit
sich ihr Vater Tag für Tag beschäftigt, war ihr bis heute
unklar. Deshalb hat sie ihn am Tochtertag an seinen Arbeitsplatz in
der Abteilung «Füge- und
Grenzflächentechnologie» in Dübendorf begleitet.
Elektroingenieur Günther Hobi überreicht seiner Tochter
gleich zu Arbeitsbeginn einen Bausatz für eine kleine
Taschenlampe und einen Lötkolben. Anfangs runzelt Aline die
Stirn, aber der Vater erklärt ihr in einfachen Worten, was zu
tun ist. Bald steckt Aline eifrig Transistoren und Widerstände
in die kleine Platine und hantiert geschickt mit dem
Lötkolben.
Drei Stockwerke tiefer, in der Abteilung «Elektronik und
Messtechnik», hilft Mahela Hack ihrem Vater Erwin bei
dessen Vorbereitungen für eine kurze Demonstration der
Interferometrie. Mahela hat ihren Vater bereits letztes Jahr
begleitet und weiss deshalb, dass es sich dabei um Vermessungen mit
Laser handelt. «Laser ist ein Lichtstrahl, den man eigentlich
nicht sehen kann, der aber nicht gut ist für die Augen. Aber
man kann ihn brauchen als Werkzeug», erklärt die
Sechstklässlerin selbstbewusst und steckt das Hauptkabel
der Versuchsanlage in den Computer.
«Männerwelt» Empa
Aline und Mahela sind zwei von gut dreissig Mädchen, die Papas
oder Mamas Arbeitsplatz kennen lernen wollten. An den
Empa-Standorten Dübendorf und St. Gallen durften sie in
verschiedenen Abteilungen auch bei Demonstrationen und Experimenten
zuschauen. In Dübendorf konnten sie beispielsweise mit dem
Rasterelektronenmikroskop eine Biene und ein menschliches Haar in
über tausendfacher Vergrösserung bestaunen. Am Morgen
waren sie dabei, als bei einem Brandversuch eine feuersichere
Tür getestet wurde. Der nationale Tochertag soll aber mehr
sein als bloss ein Schnuppertag. Die vom eidgenössischen
Gleichstellungsbüro lancierte Initiative möchte eine
gemeinsame Auseinandersetzung von Eltern und Töchtern mit der
Berufswahl anregen. Mädchen sollen Berufe, aber auch
mögliche Positionen in der Hierarchie kennen lernen, in denen
Frauen bis heute klar untervertreten sind. Auch die Empa stellt als
Institution für Materialwissenschaften und Technologie eine
derartige «Männerwelt» dar: Nur knapp ein Viertel
der 824 Mitarbeitenden sind weiblich und diese sind weit
häufiger im administrativen als im
technisch-wissenschaftlichen Bereich beschäftigt. Erst knapp
zehn Prozent der Empa-Mitarbeiter arbeitenTeilzeit, bei den
Mitarbeiterinnen sind es fast die Hälfte. Zudem ist auch die
Direktion der Empa ein reines Männergremium.
Herausforderung für ForscherInnen
Untersuchungen belegen, dass der Vater selten Vorbild ist bei der
Berufswahl von Mädchen. Anders bei der zwölfjährigen
Mahela Hack: «Ursprünglich wollte ich Lehrerin werden,
aber jetzt interessiere ich mich eigentlich fast mehr für
Physik.» Dieser Wandel habe bereits im Empa-Sommercamp
stattgefunden. Während der ersten Sommerferienwoche hatte sie
zusammen mit 17 anderen Sprösslingen von Empa-Mitarbeitenden
verschiedene Forschungsgebiete an den Empa-Standorten
Dübendorf und St. Gallen kennen gelernt. Am Tochtertag wollte
sie unbedingt wieder dabei sein.
Aline Hobi hat am Abend nicht nur eine kleine Taschenlampe gebaut,
sondern auch ein kleines «elektronisches Haustier».
Dessen Augen sind lichtempfindliche Detektoren, die bei starkem
Lichteinfall leitend werden. Der erzeugte Strom wird von
Transistoren verstärkt und bewegt zwei Antriebsräder, die
den einfachen Roboter selbständig auf die Lichtquelle zugehen
lassen. Aline, auch sie eine Sechstklässlerin, ist begeistert
und hat bereits Pläne für weitere
Elektronik-Bastelarbeiten. «Ich könnte mir vorstellen,
später auch im Beruf etwas mit Elektronik zu machen.»
Ihr Vater zieht ebenfalls eine positive Bilanz des Tochtertags.
Dieser sei für Forschende eine grosse Herausforderung, betont
Günther Hobi. «Plötzlich sind wir gezwungen, in
einfachen und anschaulichen Worten zu erklären, was wir
eigentlich tun. Eine wertvolle Erfahrung!»
Matthias
Kündig
|