Wie Kristalle eine Händigkeit entwickeln
Spiegelbildliche Cluster aus chiralen Molekülen

«Bisher war es rätselhaft, wie die «chirale»
Information der Molekülbausteine auf die entstehenden Cluster
und Kristalle übertragen wird. Forscher der
Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
(Empa) in Dübendorf haben nun Licht in das Dunkel gebracht.
Die Ergebnisse vertiefen auch das Verständnis technischer
Prozesse, die etwa bei der Herstellung von
Flüssigkristallanzeigen eine Rolle spielen.
Dass makroskopische Kristalle spiegelbildlich zueinander sein können, war vor 150 Jahren bereits Louis Pasteur bei der Betrachtung eines Weinsäuresalzes aufgefallen. Jede der beiden mit einer Lupe unterscheidbaren Kristallsorten setzte sich aus nur einem der spiegelbildlichen Molekülbausteine zusammen. Die Empa-Forscher haben nun mit einem Rastertunnelmikroskop viel tiefere Einblicke auf molekularer Ebene gewonnen. Für ihre Untersuchungen schieden Roman Fasel, Manfred Parschau und Karl-Heinz Ernst einlagige Schichten des Kohlenwasserstoffs Heptahelicen auf einer Kupferoberfläche ab. Die Moleküle ähneln einer Wendeltreppe, wobei die links- und rechtsgängigen Formen spiegelbildlich zueinander sind. Der zwischen Mikroskopsonde und Kupferoberfläche fliessende Tunnelstrom enthüllte regelmässige Muster, die sich aus den Kohlenwasserstoffmolekülen auf dem Metall gebildet hatten. Dabei ordneten sich die Moleküle dicht an dicht senkrecht nebeneinander auf der Unterlage an. Bei hohen Packungsdichten der Moleküle bildeten sich verschiedene regelmässige Muster aus, die allesamt eine «Händigkeit» zeigten. Abhängig davon, ob links- oder rechtsgängige Heptahelicen-Moleküle eingesetzt wurden, waren diese Muster spiegelbildlich zueinander. Somit war die chirale Information von den einzelnen Molekülen auf die Molekülcluster übergegangen. Doch was hatte die Chiralitäts-Übertragung verursacht? Als des Rätsels Lösung erwiesen sich die abstossenden Kräfte zwischen den Kohlenwasserstoffmolekülen. Je nachdem, wie dicht diese auf dem Metall gepackt waren, veranlasste ihre gegenseitige Abstossung sie, ihre Enden ein wenig voneinander wegzudrehen. Daraus resultierte ein energieärmerer Zustand, der zu den charakteristischen spiegelbildlichen Mustern führte.» Text: Reinhold Kurschat, erschienen in NZZ (Nr. 10), 14. Januar 2004, S. 10
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Weitere Quellen zum Thema: Angewandte Chemie 115, 5335-5339 (2003); Nature 426, 615-616 (2003).
Fachliche Auskünfte erhalten Sie bei: Roman Fasel, Abt. nanotech@surfaces, Tel. 01 823 43 48, Manfred Parschau, Abt. Oberflächen, Beschichtungen, Magnetismus, Tel. 01 823 43 45, Karlheinz Ernst, Abt. Oberflächen, Beschichtungen, Magnetismus, Tel. 01 823 43 63,
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