11. Empa-Textiltagung präsentierte «Neue Rohstoffe für Textilien»

Neue Fasern und Membranen für Hightech-Produkte

16.11.2010 | REMIGIUS NIDERÖST
Forschung und Entwicklung macht auch vor industriellen Bekleidungs- und Heimtextilien nicht Halt: Sie bietet der Industrie neue Rohstoffe, Fasern, Membranen sowie technologische Fortschritte für zahlreiche Hightech-Produkte. An der Textiltagung der Empa wurden einige dieser Innovationen vorgestellt.
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Legende: Messung des Lichtverlustes in einer polymeren optischen Faser.
 
In den letzten Jahren wurden in der Materialforschung für textile Anwendungen erstaunliche Fortschritte erzielt. Daraus resultierten nicht nur neue Herstellungsverfahren, sondern insbesondere neue Materialien, von organischen und anorganischen Spezialfasern über modernste Membranen. Davon profitiert die Textilindustrie, die sie für ihre High-Tech-Produkte nutzt. Die Empa-Textiltagung zeigte Entwicklungen, die in der Industrie bereits umgesetzt werden können, sowie neueste Forschungsergebnisse und was daraus erwartet werden kann.
 
Fasern – flexible Miniaturstrukturen mit vielfältigen Eigenschaften
Zunächst drehte sich an der Tagung alles um Fasern. Lukas Scherrer von der Empa-Abteilung «Schutz und Physiologie» stellte solche vor, die Licht leiten. Sie eignen sich hervorragend für modische Kreationen, ermöglichen aber auch nützliche technische und medizinische Anwendungen wie textile Druck- und Gassensoren, Pulsmesser und Textilien zur photodynamischen Krebstherapie.
 
Eine spezielle Polymerfaser präsentierte Martine Kolischer von DuPont. Zu 100 Prozent aus nachwachsendem Rohstoff – Mais – produziert, benötigt die Faser in der Herstellung sogar rund 40 Prozent weniger Energie als chemische Verfahren. «Sorona», so der Markenname, lässt sich dank der einzigartigen Zick-Zack-Form seiner Moleküle zu superweichem, dehnbarem Gewebe verarbeiten, bestens einfärben und ist Chlor- und UV-beständig. Stoffe aus Sorona sind sehr formbeständig; Körperwärme reicht  aus, sie zu glätten. Eine kritische Frage aus dem Publikum, ob es denn ethisch vertretbar sei, eine solche «Wunderfaser» aus einem Futter- oder Lebensmittel herzustellen, federte Kolischer ab: Zur Textilproduktion würden lediglich 0.01 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche der USA benötigt, wo die Faser momentan exklusiv erhältlich ist.
 
Fasern aus mineralischem Basalt pries Andreas Bartl von der Technischen Universität Wien ebenfalls als «Wunderfaser». Allerdings nicht für Kleider, sondern zur Verstärkung von Rotorblättern bei Windturbinen, im Automobilbau und bei anderen technischen Anwendungen, wo sie dank ihren guten physikalischen und chemischen Eigenschaften und dem geringen Preis durchaus zu einer Alternative zu Glas- und Kohlenstofffasern werden können. Ähnliches wusste Thomas Graule, Leiter der Empa-Abteilung «Hochleistungskeramik», über die herausragenden Eigenschaften von Keramikfasern als Funktionswerkstoffe zu berichten, beispielsweise als piezoelektrische Aktuatoren und Sensoren im Maschinenbau.
 

 
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  Bikomponentenfaser unter dem Rasterelektronenmikroskop: Während der Kern der Faser ihr etwa die nötige Steifigkeit verschafft, hat der Mantel aus unterschiedlichem Polymer eine anderweitige Funktion, beispielsweise eine optimierte Gleiteigenschaft.
 

 
Zellulosefasern für innovative Textilanwendungen präsentierte Frank Meister vom Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung. Relativ grosse, befüllbare Hohlräume verleihen der Faser und dem daraus hergestellten Textil je nach «Füllmaterial» verschiedene Eigenschaften, etwa  für hygienische oder bioaktive Produkte. Ebenfalls mit der Entwicklung von Multikomponentenfasern für funktionale Textilien befasst sich die Empa-Abteilung «Advanced Fibers», wie Rudolf Hufenus zeigte. Auf einer speziellen Pilotspinnanlage werden neuartige Fasern aus unterschiedlichen Polymeren und mit variablen Profilen hergestellt, beispielsweise für Kunstrasen, für antimikrobielle Textilien oder zum Verstärken von Beton. Kunstrasen aus einer Polymer-Bikomponentenfaser, die von der Empa zusammen mit Industriepartnern entwickelt und patentiert wurde, ist bereits am Markt erhältlich.
 
Membranen – bei Funktionsbekleidung nicht mehr wegzudenken
Sympatex und die Schweizer Firma Mammut, zwei Hersteller funktionaler Bekleidung, präsentierten, wie und wo sie polymerbasierte Membranen in ihrer Outdoor-Bekleidung einsetzen. Sie belegten, dass Membransysteme aus der Bekleidung nicht mehr wegzudenken sind. Ausserdem formulierten sie ihre Wünsche an die Membranhersteller: Vereinheitlichung der Testverfahren, damit die Resultate vergleichbar werden, sowie eine höhere Beständigkeit der Membranen, die auch eigentlich nach zehnmaligem Waschen noch die anfängliche Qualität aufweisen müssten. Aber auch die Rezyklierbarkeit und somit die Nachhaltigkeit sollten verbessert werden – eine Aufforderung an die Wissenschaft. Ana-Maria Popa von der Empa-Abteilung «Schutz und Physiologie» stellte darauf die Forschungsaktivitäten der Empa auf dem Gebiet der adaptiven Membranen vor, Systeme die sich äusseren Bedingungen automatisch anpassen. Weiterhin ging sie auf Fasern ein, die etwa Medikamente abgeben können und so im medizinischen Bereich zu neuen Ansätzen verhelfen.