Neue Leitung der Abteilung "Biomaterials"
Die auf Bakterien baut
Nicht immer verlief der Lebensweg von Linda Thöny-Meyer geradlinig. Nicht, als sie sich als 19-Jährige für ein Studium entscheiden musste, und auch nicht, als sie sich vermeintlich für immer von der Forschung verabschiedete, um Patentanwältin zu werden. Schliesslich obsiegten trotzdem die Liebe zur Wunderwelt der Mikrobiologie und das nicht nachlassende Interesse für biotechnologische Zusammenhänge.
«Ich mag Überraschungen», sagt Linda Thöny und denkt dabei an ihr Studium zurück. «Was wir in einem Ferienkurs in Meeresbiologie mit Netzen aus den Tiefen des Ozeans raufholten, das waren wunderschöne Überraschungen.» Ähnliche Emotionen hätte sie im Labor gespürt: «Wenn Du wartest, lange nichts siehst und in der Dunkelkammer dann plötzlich etwas erkennst … und dann auch begreifst, was das Gesehene bedeutet – das ist für mich überwältigend.» Solche Momente waren ein Grund, weshalb Thöny sich für die Mikrobiologie entschieden hat. Nach dem Diplom promovierte sie am Institut für Mikrobiologie an der ETH bei Professor Hauke Hennecke mit einer Arbeit über ein neu entdecktes Atmungsenzym. Einer Weiterbildung in Australien folgte schon bald ein zweiter, längerer Aufenthalt an der renommierten amerikanischen Stanford University School of Medicine.
|
|||
|
«Es war ein kleiner Schock, als ich das Profil im Inserat der Empa las. Die Stellenbeschreibung war perfekt auf mich zugeschnitten.» Die Aussicht, die Abteilung «Biomaterialien» neu aufzubauen, faszinierte sie, für die Forschung schlug ihr Herz noch immer, und die Erfahrungen, die aus der Industrie mitzubringen waren, hatte sie sich in ihrer Arbeit als Patentanwältin angeeignet. Sehr rasch entschied sie, die Stelle anzunehmen, obwohl es ihr schwer fiel, dem Anwaltsbüro wieder den Rücken zu kehren. | ||
«Weisse» Biotechnologie nutzt Werkzeuge der Natur |
|||
|
Deshalb steht in der Empa seit kurzem ein Hightech-Bioreaktor, in dem Bakterien in einer definierten Nährstoffsuppe gezielt zur Produktion wertvoller Biopolymere – chemischer Verbindungen aus Monomeren – angeregt werden. «Wir arbeiten aber auch mit Proteinen. Beispielsweise optimieren wir zusammen mit der Firma Glycovaxyn, einem Biotech-Startup, die mikrobielle Produktion bestimmter Impfstoffe », gibt Thöny Auskunft. Als Patentanwältin hat sie gelernt, vorsichtig zu formulieren, wenn es um Pläne geht. Deshalb möchte sie die Details nicht weiter erläutern. |
||
Kampf den Bakterienteppichen Für den Kampf gegen schleimige Bakterienteppiche, so genannte Biofilme, lassen sich Biopolymere ebenfalls rekrutieren. «Wir wollen wissen, wie die unerwünschten Beläge entstehen, und wie wir sie mit «Antifouling»-Methoden und unseren Polymeren am besten bekämpfen und verhindern», sagt Thöny. Die übel riechenden Filme können Krankheitserreger enthalten und die Gesundheit beeinträchtigen: Besonders bei medizinischen Implantaten sind sie gefürchtet, da sie schlimme Entzündungen hervorrufen. Hier gilt es, Oberflächen zu kreieren, die das Ausbreiten der Biofilme verhindern. Die natürlichen, biokompatiblen Polymere aus dem Bioreaktor eignen sich dafür bestens. Sie sind Träger für Moleküle, die verhindern, dass sich der Bakterienschleim ansiedelt. Biofilme sind nicht nur medizinisch gesehen eine Herausforderung, auch in der Raumforschung sind sie ein Thema. Denn die Beläge siedeln sich gern auf schlecht zu reinigenden Oberflächen an: Das stellt Weltraumstationen, wo eine Sterilisation nicht möglich ist, vor Probleme. Die Empa führt deshalb mit der ETH Zürich, ausgehend von einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit der European Space Agency (ESA) auf dem Gebiet des «Antifoulings», eine Studie zu Biofilmen unter Mikrogravitation durch. Ihr Schwerpunkt: Wie verhalten sich die Bakterienteppiche, wenn sie den Bedingungen des Weltraums ausgesetzt sind? Und schliesslich noch ein letztes Beispiel: Die schleimigen Beläge beschleunigen die Korrosion technischer Systeme – auch im Haushalt. Darum widmet sich ein KTI-Projekt zusammen mit dem Empa-Spin-off «Empa Test Materials» dem Thema «Biofilme in Waschmaschinen ». Die Arbeit in der Abteilung «Biomaterialien » ist abwechslungsreich und steckt – auch thematisch – voller Überraschungen: vom Haushalt bis zum Weltall liegt alles drin. «Ich habe den Entscheid, an die Empa zu kommen, noch keine Minute bereut», bekennt Thöny. |
|||
|
|||