PAI: Physische künstliche Intelligenz

Auf dem Weg zu lebensechten Robotern

11.11.2020 | ANDREA SIX

Damit Roboter in Zukunft mehr können als einfache Automaten, müssen sie nicht nur über eine eigene Denkleistung verfügen. Die künstliche Intelligenz muss um Fähigkeiten einer physischen künstlichen Intelligenz, PAI, erweitert werden, postulieren Empa-Forscher. Dies werde das Feld der Robotik und die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine neu definieren. 

https://www.empa.ch/documents/56164/14973917/Mirko_Stopper.jpg/c0a62a80-813f-4853-9a20-f1c029a57575?t=1604654689000
Robotik-Forscher Mirko Kovac will Maschinen mit der Intelligenz des Lebens verschmelzen. Foto: Robert Stürmer / Empa

Künstliche Intelligenz soll Maschinen immer erstaunlichere Leistungen vollbringen lassen. Denn ein Roboter, der nicht viel mehr kann als ein ferngesteuertes Modellauto, hat einen begrenzten Einsatzbereich. Doch vom Automaten bis zum autonomen Roboter ist es ein grosser, nahezu evolutionärer Schritt. Robotik-Forscher Mirko Kovac und Aslan Miriyev, die beide am «Materials and Technology Center of Robotics» der Empa in Dübendorf und am «Aerial Robotics Lab» des Imperial College London arbeiten, sind überzeugt, dass eine entscheidende Komponente diesen Entwicklungsschritt ermöglichen kann: Die physische künstliche Intelligenz, kurz PKI oder PAI (engl.: physical artificial intelligence). Denn erst wenn die künstliche Intelligenz eines digitalen «Gehirns» auch mit einem intelligenten Körper verschmolzen werde, könnten neuartige Roboter entstehen, die über Eigenschaften vergleichbar mit intelligenten lebenden Organismen verfügen. Ihre These haben sie nun in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Machine Intelligence veröffentlicht.

PAI – intelligente Körper für "lebende" Maschinen
https://www.empa.ch/documents/56164/14973917/lifelike+robots+illustration+para.jpg/74c804dc-a876-41c7-ad34-e4680781098d?t=1604910929000

Mit der physischen künstlichen Intelligenz, kurz PKI oder PAI, soll die Synthese von naturähnlichen intelligenten Robotersystemen ermöglicht werden. Der interdisziplinäre Prozess lässt sich anhand einer Roboterbiene veranschaulichen: Forschungsergebnisse aus den Bereichen Materialien, Strukturen, Selbstwahrnehmung und Bewegungssteuerung werden verschmolzen, so dass ein vollständig autonomes, multifunktionales Robotersystem entsteht. Und jede der Disziplinen bringt die Entwicklung in einem Evolutions-ähnlichen Prozess voran.
Illustration: Empa / Imperial College London / Nature machine intelligence

Über den Tellerrand hinaus

Um voll autonome, intelligente Robotersysteme zu entwickeln, müssen unterschiedliche Disziplinen ihre Synergien erkennen und nutzen wie Materialwissenschaften, Biologie, Maschinenbau, Chemie und Informatik, so die Forscher. «Wir stellen uns vor, dass PAI-Roboter erst durch die Verwendung einer Vielzahl unkonventioneller Materialien und Forschungsmethoden entstehen», sagt Mirko Kovac. Hierzu würden Forschende ein viel breiteres Spektrum an Fähigkeiten benötigen als in der konventionellen Robotik üblich. Denn bisher liegt der Schwerpunkt bei der Robotik auf der Entwicklung eines «Gehirns», der künstlichen Intelligenz. «Nun ist es an der Zeit, Robotersysteme zu entwickeln, die auch einen intelligenten Körper besitzen», sagt Kovac. Interdisziplinäre Zusammenarbeit, Partnerschaften und eine Anpassung der Ausbildung von Nachwuchsforschenden seien daher gefragt. «In einem multidisziplinären Umfeld zu arbeiten, erfordert Mut. Die Forschenden müssen ihre Komfortzonen verlassen und über abgegrenzte Disziplinen hinausdenken.»

Symbiose von Mensch und Maschine

Die Empa-Forscher möchten die Vision einer Gesellschaft, in der Menschen von Maschinen unterstützt werden, in einem Mass, das einem «Zusammenleben» entspricht, vorantreiben. «Diese Symbiose kann nur entstehen, wenn eine sichere Interaktion zwischen Menschen und Robotern möglich ist», sagt Kovac. Damit Roboter auf alle Unwägbarkeiten der Umwelt reagieren können, sei die physische Intelligenz eines Roboterkörpers ein unverzichtbarer Schritt. Die Forscher hoffen nun, dass ihre Arbeit eine aktive Diskussion des Themas fördert.

Materials and Technology Center of Robotics

Das Materials and Technology Center of Robotics mit Sitz in Dübendorf wurde 2019 als Joint Venture der Empa und des Imperial College London gegründet.  Schwerpunkt der Forschung des Zentrums ist der Brückenschlag zwischen den Disziplinen der Materialwissenschaften und der Robotik, um naturgetreue intelligente Robotersysteme zu schaffen.
Bild: Empa

Further Information

Prof. Dr. Mirko Kovac (Empa)
Materials and Technology Centre of Robotics
Tel. +41 58 765 4689
mirko.kovac@empa.ch

Aerial Robotics Lab (Imperial)
Tel. +44 20 7594 5063
m.kovac@imperial.ac.uk

Dr. Aslan Miriyev
Materials and Technology Centre of Robotics
Tel. +41 58 765 4631


Redaktion / Medienkontakt

Dr. Andrea Six
Kommunikation
Tel. +41 58 765 6133
redaktion@empa.ch


Literatur

M Kovac, A Miriyev; Skills for Physical Artificial Intelligence; Nature Machine Intelligence (2020); https://doi.org/10.1038/s42256-020-00258-y

Lebensechte Maschinen benötigen auch eine physische Intelligenz. Coverbild der Ausgabe von «Nature Machine Intelligence» Foto: M. Kovac / Nature machine intelligence




Follow us