Alternative Energieformen auf dem Vormarsch

Erdwärme als Energie der Zukunft

12-mag-2003 | MARTINA PETER

Zum Heizen den Öl- oder Gasofen, zum Kühlen die Klimaanlage. Wer so denkt, liegt nicht nur falsch, er oder sie zeigt auch wenig Sinn für den Umweltschutz. Dass es im Bereich der Gebäudetechnik längst alternative Energieformen gibt und wie sie genutzt werden, zeigten Fachleute aus Forschung und Industrie. Sie hatten den aktuellen Stand der Technik zusammengetragen und präsentierten ihre Erkenntnisse am 6. Mai 2003 dem Publikum der Empa-Akademie.

https://www.empa.ch/documents/56164/318676/a592-05-12-b1m+Erdwaerme.jpg/3db7ec55-e756-420c-a791-73b3b6a634c5?t=1448301578000
Vor dem Betonieren werden die Kunststoffrohre (weiss) des thermoaktiven Bauteils fest mit der Armierung verbunden.
 

Im Sommer kühlen und im Winter heizen – damit dies ökologisch sinnvoll geschieht, wird immer öfter auf den Einsatz erneuerbarer Energieformen zurückgegriffen. Zu diesen Quellen zählt insbesondere die Erdwärme. In der Nähe der Erdoberfläche herrschen Temperaturen, die im Winter über der durchschnittlichen Aussenlufttemperatur liegen, im Sommer darunter. Während der Heizsaison wird dem Untergrund Energie entzogen. Dies kann mit hydraulischen Systemen, wie Erdsonden, erfolgen. Es eignen sich aber auch Luftleitungen, sogenannte Erdregister vor Lüftungsgeräten. Wärmepumpen heben die Medien schliesslich auf das gewünschte Temperaturniveau an. Im Sommer, wenn gekühlt werden muss, wird dem Erdreich Wärme zurückgegeben. Dabei ergänzen sich meist verschiedene Techniken wie thermoaktives Bauteil, natürliche oder mechanische Lüftung oder Sonnenschutzeinrichtung. Auf diese Weise wird die Raumtemperatur stets im angenehmen Bereich gehalten, der sich zwischen 21 und 26°C befindet und als Komfortbereich gilt.

 

Tiefensonden und Erdpfähle

Fachleute aus der Schweiz und dem benachbarten Ausland erläuterten mit ihren Referaten, wie diese Energiereserve aus dem Untergrund angezapft werden kann. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Erdwärmesonden, die durch ihren Wärmetauscher dem Untergrund Wärme entziehen oder zuführen. Die Tiefe der Bohrlöcher variiert von 50 bis 350 Meter, wobei in der Schweiz der Bereich zwischen 80 und 120 Meter am häufigsten vorkommt. Eine ähnliche Anwendung stellen die Energiepfähle dar. Vor allem bei feuchten Gebieten, wo zur Erhöhung der Standfestigkeit eines Gebäudefundaments sowieso Pfähle in das Erdreich gerammt werden müssen, lohnt sich ihr Einsatz. An die Armierungseisen der Pfähle werden Leitungen befestigt, durch die während der Heizperiode die abgegebene Wärme des Erdreichs zur Wärmepumpe transportiert wird. Um das Gebäude zu kühlen, wird der ganze Kreislauf umgekehrt.

 
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Thermoaktives Bauteil vor dem Betonieren.
 

Energiemanager Gebäude

Die ideale Ergänzung zu den alternativen Energieformen stellte auf der Gebäudeseite die Empa gleich selber vor: thermoaktive Bauteilsysteme tabs (reg.). Markus Koschenz, Abteilungsleiter Energiesysteme/Haustechnik an der Empa, erläuterte in seinem Beitrag ihre Funktionsweise. Wie die Bezeichnung vermuten lässt, wird die Gebäudestruktur durch eine geeignete Bauweise aktiv in das Energiemanagement des Gebäudes einbezogen.

 
 Konkret bedeutet das, dass die Decken und Böden der einzelnen Stockwerke Wärme aufnehmen oder abgeben. Auf diese Weise wird die Gebäudemasse selbst als thermischer Speicher genutzt. Dank der grossen Oberfläche von Decken und Böden entsteht auch bei geringer Temperaturdifferenz zwischen Raumluft und Gebäude ein beachtlicher Wärmestrom. Dieser geringe Temperaturunterschied ermöglicht letztlich die Nutzung natürlicher Kältequellen zum Kühlen und den Gebrauch von Niedertemperaturwärme zum Heizen. Als Energiequelle eignet sich daher das Erdreich oder die Aussenluft. Den Energietransport hin zu Decken und Böden und fort von ihnen übernehmen einbetonierte Kunststoffrohre, wie sie auch bei Bodenheizungen angewendet werden.

Insbesondere Büro- und Gewerbebauten müssen, bedingt durch steigende thermische Belastung, beinahe ganzjährig gekühlt werden. Denn einerseits steigt die Raumtemperatur durch Wärme, die Personen und Büroeinrichtungen abgeben, und andererseits durch die Sonneneinstrahlung auf die oftmals grosszügig dimensionierten Glasfassaden, was als solarer Gewinn bezeichnet wird. Diesen Temperaturanstieg nehmen die Decken und Böden tagsüber auf. Während der Nacht werden die einbetonierten Kunststoffrohre mit kaltem Wasser durchströmt und «entladen» auf diese Weise das Gebäude. Hier eignet sich nun die Nutzung des Energiespeichers Erdreich als Kühlquelle. Das Gebäude lässt sich auf diese Weise unter Ausnutzung des thermischen Komfortbereichs weitgehend mit erneuerbarer Energie bewirtschaften.

 

Fachliche Auskünfte:

Abteilung Energiesysteme/Haustechnik:

Markus Koschenz, Tel. 01 823 41 75,

 

Redaktion:

Martina Peter, Tel. 01 823 49 87,