31. Empa-Wissenschaftsapéro

Biotreibstoffe sind bereit zum Ernten

Nov 15, 2006 | BEAT ASCHWANDEN
Schnelle, futuristische und teure Autos in Einzelproduktion und eine massive Reduktion von Treibstoffverbrauch und Schadstoffemissionen widersprechen sich scheinbar. Doch am jüngsten Empa-Wissenschaftsapéro zeigten drei Experten, dass dem nicht gezwungenermassen so sein muss: Technologien und Konzepte für schnelle Autos mit starken Motoren könnten dereinst auch in effizienten, mit Biomasse betriebenen Fahrzeugen zum Einsatz kommen.
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Ein Auto, das sich in 40 Sekunden in ein Tragflächenboot verwandelt und über den Ärmelkanal braust – was unglaublich klingt, wurde im vergangenen Juli Tatsache, wie die Medien berichteten. Die Idee, ein schwimmendes Automobil zu konstruieren, hatte Frank Rinderknecht bereits vor 25 Jahren. Nach vielen Rückschlägen setzte seine Firma Rinspeed aus Zumikon, welche sich auf die Entwicklung von Konzeptfahrzeugen spezialisiert hat, den Traum nun um und sicherte sich damit einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Konzeptfahrzeuge sollen dank neuen Eigenschaften neue Wege aufzeigen sowie frische Denkanstösse liefern; die vor allem als Marketinginstrument konzipierten und teilweise futuristisch anmutenden Fahrzeuge gelangen selten zur Serienreife.
 
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Die automobile Vision von Frank Rinderknecht. Sein «Rinspeed Splash» hebt ab … (Bild Rinspeed AG, Zumikon).
 

Die vermittelten Emotionen zählen

Den staunenden Zuhörern zeigte Rinderknecht nicht nur die unglaublichen Bilder des schwimmenden «Rinspeed Splash», sondern auch jene des Prototyps «Senso», der in Sachen Sicherheit neue Wege geht. Das Cockpit passt sich laufend dem Befinden des Lenkers an, welches über seine Herzfrequenz sowie andere physiologische Messwerte ermittelt wird. Ist die Innenbeleuchtung grün, ist alles in Ordnung. Wird sie rot, dann droht der Fahrer einzuschlafen. Ist der Chauffeur gestresst, wird er mit einem freundlichen Blauton beruhigt. Geeignete Musik und Düfte tragen dazu bei, das Wohlbefinden des Fahrers zu steigern.

 

Woher mögen wohl all diese Ideen kommen? «Vision ist die Kunst, Unsichtbares sichtbar zu machen,» begründet Rinderknecht seine Tätigkeit und verrät, was ihn immer wieder auf neue Ideen bringt: «Am meisten Vergnügen bereitet es mir, wenn ich Dinge tue, von welchen andere denken, sie seien unmöglich.» Den Erfolg seiner Firma – 600 Millionen Menschen sollen laut unabhängiger Schätzung vom «Rinspeed Splash» gehört haben – schreibt er den Emotionen zu, welche seine Autos wecken. Weshalb sonst würden die meisten Menschen eine Uhr kaufen, die teurer als 30 Franken sei, wenn eine solche die Zeit doch ebenso exakt anzeige? Wegen der Emotionen, welche eine teurere Uhr vermittelt, lieferte der Rinspeed-Chef die Antwort gleich selbst. Genauso sei es auch bei Autos.

Die Bilder der kostbaren Einzelstücke aus dem Hause Rinspeed regten die Emotionen des Publikums dermassen an, dass Nachfragen nicht ausblieben. Die Entwicklungen gingen in die falsche Richtung, vermutete ein besorgter Zuhörer, seien doch in der nahen Zukunft treibstoff- und emissionsarme Fahrzeuge gefragt. Auf genau diesem Gebiet würde Rinspeed im kommenden Jahr eine Neuigkeit präsentieren, konterte der Firmenchef sogleich. Details wollte er aber dann doch nicht verraten.

 
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Der von Kistler Instrumente AG gezüchtete Quarzkristall, das Herzstück der piezoelektrischen Drucksensoren (Bild Kistler AG, Winterthur).
 

Mit heissen Sensoren zu sauberen Motoren

An Sensoren, welche in Zukunft einen weiteren Schritt in Richtung sauberer Motoren ermöglichen, arbeitet Andrea Bertola von der Kistler Instrumente AG in Winterthur. Die Firma hat sich auf die Entwicklung und Produktion von wenigen Millimeter grossen Drucksensoren für die Autoindustrie spezialisiert. Seine Vision für die nahe Zukunft ist, dass diese piezoelektrischen Sensoren den Druckverlauf direkt im Brennraum des Motors messen; die Motorsteuerung soll dann innerhalb Mikrosekunden die Menge des eingespritzten Treibstoffs verändern, um so einen möglichst effizienten, leisen und sauberen Motorbetrieb zu gewährleisten. «Bisher haben wir vor allem Sensoren für Prüfstandversuche entwickelt. Nun arbeiten wir mit Nachdruck an Sensorsystemen, welche direkt im Auto eingebaut werden können und so zu einer besseren Motorsteuerung führen», erklärte Bertola. Mit eindrucksvollen Bildern und Graphiken stellte Bertola den komplexen Aufbau solch hochpräziser Sensoren vor. Ihr Herzstück ist ein Quarzkristall, welcher in einem mehrere Monate dauernden Prozess gezüchtet wird.

 

Zu guter Letzt sprach Patrik Soltic, Leiter der Gruppe Antriebssysteme an der Empa, über das Potenzial neuer Biotreibstoffe mit geringem Schadstoffausstoss auf. Die Entwicklung in Richtung einer geringeren Erdölabhängigkeit und weniger Schadstoffausstoss sei sinnvoll. «Die Versorgungslage von Rohöl ist ungewiss, und die Schadstoffemissionen müssen wegen neuer Vorschriften immer mehr gesenkt werden», so Soltic. Mit modernen Motorsteuerungen und Katalysatoren sind zwar die meisten Emissionen schon stark gesunken, wie entsprechende Untersuchungen beweisen. Nach wie vor aber steigt der Ausstoss des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) weltweit unvermindert an.

Von der jährlich in der Schweiz verbrauchten Energie entfallen 280 Petajoule – ein Petajoule ist eine Billiarde Joule –, also rund ein Drittel, auf den Verkehr. Etwa 15–30 Prozent dieses riesigen Energiebedarfs könnte mit Treibstoffen aus Biomasse, in der Schweiz vor allem aus Holz und biogenen Abfällen, gedeckt werden, wenn optimierte Motoren zum Einsatz gelangen. Laut Soltic ist Biotreibstoff allerdings nicht gleich Biotreibstoff. So haben etwa kaltgepresste Öle keine gleich bleibende Qualität und seien zäh, was vor allem bei Kaltstarts zu Problemen und hohen Schadstoffemissionen führen könne. Hingegen sei das nach seinen Erfindern benannte Fischer-Tropsch-Diesel aus Biomasse eine gute Alternative. Es macht zwar neuartige Motorsteuerungen notwendig, senkt aber den Schadstoffausstoss massiv. Auch verestertes Öl, beispielsweise Raps-Methylester RME, ein genormter Treibstoff, hat das Potenzial sauber zu sein, wenn die Steuerungen moderner Dieselmotoren entsprechend angepasst werden. Doch anstatt Fahrzeuge mit reinen Biokraftstoffen zu betreiben, sei es sinnvoller, diese dem fossilen Diesel beizumischen. Auch so liesse sich der CO2-Ausstoss deutlich senken, und es träten erst noch weniger Probleme auf, so Soltic.

 
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An einer der rund 60 in der Schweiz vorhandenen Erdgastankstellen wird das auf «echten» Erdgasantrieb ausgerüstete Empa-Versuchsfahrzeug betankt.
 

Mit Gas aus Biomasse und ohne Schadstoffe

Als viel versprechend bezeichnete der Empa-Experte die Biogastechnologie. Das hauptsächlich aus Methan bestehende Gas zeichnet sich durch eine sehr effiziente Produktion aus, zum Beispiel aus Holz oder Grüngutabfällen; es ist sehr klopffest, günstig und bringt eine massive CO2-Reduktion. In der Schweiz wird Biogas in Erdgasqualität bereits seit Jahren kommerziell erfolgreich produziert und ins Erdgasnetz eingespiesen. An vielen der momentan vorhandenen rund 60 Erdgastankstellen ist Biogas unter dem Namen Kompogas oder Naturgas bereits erhältlich.

Gasfahrzeuge erfreuen sich steigender Beliebtheit, viele Hersteller bieten bereits Produkte an. Bis zum Durchbruch der Technik dürfte indes noch einige Zeit vergehen. «Grundsätzlich könnte ein für den Gasbetrieb konzipiertes Fahrzeug die Vision von schadstofffreien Abgasen zu vertretbaren Kosten erreichen,» weiss Soltic.

 

Die Herausforderung sei momentan, entsprechende Katalysatoren und Motorsteuerfunktionen zu entwickeln. Seit einiger Zeit arbeitet die Empa zusammen mit der ETH und der Automobilindustrie an «echten» Erdgasantrieben, welche die Vorteile des Treibstoffes voll ausnützen und ähnliche Reichweiten wie herkömmliche Fahrzeuge aufweisen.

Dass das Ziel von «grünen» Fahrzeugen ohne Schadstoffausstoss gar nicht mehr in so grosser Ferne liegt, zeigten nicht nur die neuen Sensortechniken und innovativen Tüfteleien des Konzeptfahrzeugbauers, sondern auch die Schlussbemerkung von Patrik Soltic: «Biotreibstoffe sind bereit zum Ernten. Und die entsprechende Motortechnologien, um auch mit Biotreibstoffen auf tiefste Schadstoffemissionen zu kommen, dürften bald auch zur Verfügung stehen.»


Autor:
Lukas Herzog

Weitere Informationen:
Dr. Patrik Soltic, Abt. Verbrennungsmotoren, , Tel. +41 44 823 46 24

Redaktion:
Sabine Voser Möbus, Abt. Kommunikation, , Tel. +41 44 823 45 99