Automobiltechniker trafen sich an der Empa
Fahrzeugabgase im Visier
Die Luftverhältnisse in der Schweiz verbessern sich ständig – ausser in städtischen Ballungszentren. Dort stagnieren laut Christian Bach, Leiter der Empa-Abteilung «Verbrennungsmotoren», in den letzten Jahren insbesondere die Ozon- und Feinstaubwerte auf hohem Niveau. Das liegt vor allem daran, dass heute mehr Autos auf Schweizer Strassen rollen als je zuvor; gegenwärtig verursachen in den Städten immer mehr «sauberere» Autos genauso viel Dreck wie früher wenige «schmutzige». |
||||
|
Vor allem Dieselmotoren stossen winzige Partikel aus, die – aufgrund ihrer Grösse – von der Masse her nicht ins Gewicht fallen, aber wegen ihrer hohen Anzahl von Gesundheitskreisen als bedenklich erachtet werden. 18 Prozent der gesamten Feinstaubbelastung an PM10 – also an Partikeln mit einem Durchmesser unter 10 Mikrometer – kommen direkt aus dem Auspuff. Diese Partikel dringen bis tief in die Lunge vor – und nicht nur in den oberen Atemtrakt wie die grösseren, mechanisch erzeugten Partikel aus Reifen- oder Bremsabrieb. Atemwegserkrankungen bis hin zu Lungenkrebs können die Folge sein. «Deshalb unterstützen wir den Bund bei der Förderung von Partikelfiltern für den Hauptverursacher, die Dieselmotoren», sagt Bach. | |||
Neben Feinstaub ist in den Städten auch Ozon ein Problem, vor allem im Sommer. Es genüge bei weitem nicht, nur die Vorläufer des Ozons in den Autoabgasen zu reduzieren, weiss Bach. Denn ob sich Substanzen wie Kohlenwasserstoffe und Stickoxide zu Ozon umwandeln, ist von ihrem Mengenverhältnis abhängig. Dieses ist bei sommerlichem Wetter geradezu «ideal» für Ozonbildung – das zeigen Messungen der Empa-Abteilung «Luftfremdstoffe». Einige der neuen Systeme zur Abgasnachbehandlung führen sogar zu einem Ozonanstieg – und zwar über einen erhöhten Stickstoffdioxid-Anteil bei den Stickoxiden; Stickstoffdioxid ist deutlich reaktionsfähiger als andere Stickoxide, was die Ozonbildung verstärkt. Beunruhigend ist aber vor allem der Anstieg der Treibhausgase – trotz neuer Gesetze, dem Kyoto-Protokoll und internationalem Druck. Denn klimaschädliche Emissionen lassen sich nicht mit technischen Errungenschaften wie Katalysatoren verhindern. Nur Fahrzeuge mit tieferem Kohlendioxid-Ausstoss könnten den Anstieg bremsen, etwa Autos, die mit Biodiesel aus Raps oder anderen Nutzpflanzen betankt werden können. Doch was auf dem Papier gut aussieht, hat in der Praxis einen Haken: Bei der Herstellung von Biotreibstoffen entstehen ebenfalls klimawirksame Abgase. Für Christian Bach steht das ehrgeizige Ziel daher fest: «Gleichzeitig mit der Senkung der noch immer zu hohen Partikel- und Stickoxidemissionen müssen zukünftige Autos vor allem eines: sparsamer werden.» |
||||
|
Neue Katalysatoren, neue Problemstellungen Atemprobleme in der Stadt wegen zu hoher Ozon- und Feinstaubwerte machen neue Abgasreinigungssysteme erforderlich. Vier dieser neuen Systeme zur Abgasnachbehandlung stellte Robert Alvarez vor, der auch in der Empa-Abteilung «Verbrennungsmotoren» arbeitet. Die Schadstoffe werden dabei nicht wie im altbekannten Katalysator kontinuierlich in unschädliche Produkte umgewandelt, sondern in «Speichern» zwischengelagert, die dann in gewissen Abständen «gereinigt» werden. |
|||
Sprich: Der Motor wird in einen speziellen Betriebszustand versetzt, in dem Partikel verbrannt oder Stickoxide chemisch reduziert werden. Bei einigen dieser so genannten Regenerationsphasen entstehen allerdings ebenfalls Schadstoffe; zum Beispiel zersetzt der Prozess zwar Partikel, produziert dafür aber Stickstoffdioxide, deren Nachbehandlung wiederum mehr Treibstoff verbraucht. Dies muss bei der Berechnung der Gesamtemissionen berücksichtigt werden. Um bei Gasfahrzeugen, die wesentlich weniger Kohlendioxid ausstossen als Benziner oder Dieselfahrzeuge, auch die anderen Abgase zu verringern, benötigen sie ebenfalls einen Katalysator. Dieser kann allerdings nicht «eins-zu-eins» von benzinbetriebenen Autos übernommen werden. Denn der Sauerstoffgehalt muss bei Gasfahrzeug-Katalysatoren anders geregelt werden als bei Benzinern. Die Empa-Wissenschaftler arbeiten daher zusammen mit einem deutschen Automobilhersteller derzeit an einem wirksamen Katalysator für Gasfahrzeuge, der exakt auf die Bedingungen des Gasmotors eingestellt ist. |
||||
|
Was tragen Kaltstart und Klimaanlage zu den Autoabgasen bei? «Ob Sie beispielsweise an einem kalten Wintermorgen bei –20 Grad den Motor anlassen oder – bei derselben Temperatur – einen 900 Kilometer entfernten Geschäftspartner besuchen: Die Kohlenwasserstoff-Emissionen sind dieselben», beschreibt Jean-Yves Favez vom Empa-Team «Verbrennungsmotoren» die durch den Kaltstart verursachten Emissionen. Diese fallen prozentual immer mehr ins Gewicht, da die neuen Generationen von Katalysatoren im Normalbetrieb bei Temperaturen über 300 Grad immer weniger Abgase in die Luft lassen. |
|||
An warmen Sommertagen trägt jedoch weniger der Kaltstart, sondern vielmehr die Klimaanlage wesentlich zur Abgasbelastung bei. Der bis anhin geschätzte Mehrverbrauch von 1,5 Prozent ist überholt. In den Forschungslabors der Empa wurde schon bei moderaten Temperaturen von unter 20 Grad ein Mehrverbrauch von 2 bis 8 Prozent ermittelt. «Unter 20 Grad die Klimaanlage ausschalten», empfiehlt daher Favez. Die läuft allerdings oft automatisch mit – selbst bei angenehmen Temperaturen um die 20 Grad –, damit die Scheiben bei feuchter Luft nicht beschlagen. |
||||
Messen ist nicht gleich Messen All die Fragen zur Verminderung der Luftschadstoffe können nur dank ausgeklügelter Messtechnik beantwortet werden, was eine ständige Herausforderung für die Empa-Wissenschaftler und -Ingenieure bedeutet. Warum stossen zum Beispiel Autoflotten der Euro-3-Fahrzeugkategorie gemäss einer internationalen Studie durchschnittlich mehr Abgase aus, als dies eine vergleichbare schweizerische Untersuchung ergab? Offenbar wird im Ausland stärker beschleunigt, und es gibt mehr Wartezeiten an Kreuzungen; dadurch steigen die Emissionen an. Ein solches Fahrverhalten liegt jedenfalls den Fahrzyklen in den Messreihen der internationalen Studie zu Grunde. Ob das dadurch simulierte Fahrverhalten der KollegInnen im Ausland realistisch(er) ist, kann Martin Weilenmann, stv. Abteilungsleiter «Verbrennungsmotoren», nicht mit Gewissheit sagen. «Es ist ziemlich schwierig, das reale Fahrverhalten zu simulieren». Doch selbst wenn diesem auf dem Rollprüfstand recht nahe gekommen wird, ist das Messen der Abgase alles andere als trivial. Bei herkömmlichen Messungen werden die Abgase während eines Fahrzyklus in Plastikbeuteln gesammelt und danach gemessen. Dies liefert daher nur einen Durchschnittswert; die Abgasexperten können allerdings nicht sagen, unter welchen Fahrbedingungen der jeweilige Schadstoff in welchen Mengen entstanden ist. Deshalb misst das Empa-Team um Martin Weilenmann und Christian Bach zehnmal pro Sekunde die wichtigsten Substanzen. Anhand dieser Daten haben die Forschenden ein Abgasmodell (DIVEM für «Dynamic Instantaneuous Vehicle Emission Model») entwickelt, das die Abschätzung von Emissionen für verschiedene Fahrsituationen ermöglicht, ohne dass jede einzelne davon gemessen wurde. Mit den vorläufigen Ergebnissen ist Weilenmann zufrieden. «Die Werte der Kontrollmessungen entsprechen fast überall den Werten unseres Computermodells». Autor: Manuel Martin Redaktion: Weitere Informationen: |
||||
|
|||